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Jobsuche mit Behinderung: Ein Erfolgsbeispiel

Anderthalb Jahre hat der studierte Erziehungswissenschaftler Nikolaos Rizidis intensiv nach einem Job gesucht. Er ist im Laufe seiner Jugend erblindet. Und bei manchen der 23 Bewerbungsgespräche hatte er den Eindruck, dass ihm deshalb weniger zugetraut wird. Jetzt ist er glücklich und arbeitet Teilzeit in zwei sehr unterschiedlichen Jobs.

Der 29-Jährige sitzt mit seiner Freundin Sarah am Küchentisch und schenkt Tee ein. Blindenführhund Orlando liegt zu seinen Füßen. Die drei genießen eine kurze Pause. Neuerdings können sie das wieder. Aber die vergangenen anderthalb Jahre waren hart: Seit seinem Studienabschluss in Sozial- und Rehapädagogik war Nikolaos fast jeden Tag mit Jobsuche beschäftigt und hat dabei viele Rückschläge verkraften müssen.

Jobsuche mit Behinderung: Frust beim Bewerbungs-Marathon

„Ich bin immer wieder zu Vorstellungsgesprächen eingeladen worden. Und viele haben gesagt, dass sie es ganz toll finden, was ich erreicht habe. Nur eingestellt haben sie mich nicht. Ganz schön frustrierend war das.“ Tatsächlich hat Nikolaos seine Schulkarriere auf der Hauptschule begonnen und auf dem Gymnasium beendet. Dort und auch für das Studium hat er etwas länger gebraucht als der Durchschnitt. Das lag daran, dass er im Laufe seiner Jugend erblindet ist und sich erst einmal neu orientieren musste. Barrierefreie Dateien und Wege sind noch nicht überall selbstverständlich. Und auch der Umgang mit dem Blindenstock und mit Blindenführhund Orlando musste erst einmal gelernt werden.

2019 ging es dann los mit dem Bewerbungs-Marathon. Dass er eine Behinderung hat, hat er in den Anschreiben immer erwähnt, sagt Nikolaos: „Ich wollte von Anfang an ehrlich sein mit meinem vielleicht zukünftigen Arbeitgebern. Zu den Gesprächen bin ich dann erst mal mit dem Blindenstock gegangen. Und habe dann erzählt, dass ich normalerweise mit Orlando unterwegs bin.“

Porträt eines jungen Mannes

 Immer hieß es: Überqualifiziert und unerfahren

Für Blindenführhunde gelten andere Regeln als für andere Hunde: Sie dürfen immer und überall dabei sein. Trotzdem hatte Nikolaos den Eindruck, dass für manche Arbeitgeber an diesem Punkt Schluss war. „In der Ablehnung hieß es dann entweder, ich sei überqualifiziert oder ich hätte noch nicht genug Berufserfahrung.“ Nikolaos war frustriert.

Die beiden Vorstellungsgespräche, die zu seinen Jobs führten, fanden kurz hintereinander statt. Im Sommer 2020 machte Nikolaos die schöne Erfahrung, dass solche Gespräche auch auf Augenhöhe und mit echtem Interesse geführt werden können. „Mein Chef bei der EUTB sitzt selbst im Rollstuhl. Der hat mir ganz normale Fragen gestellt. Um die Behinderung ging es kaum.“ 

Ein Mann mit Maske und Blindensymbol an der Schürze steht vor zwei Frauen, die am Tisch eines Cafés sitzen.

Heute berät er andere zum Thema Teilhabe

Er selbst war mittlerweile ganz locker in die Gespräche hineingegangen und arbeitet seit Sommer in der Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) in Marburg. Zwölf Stunden pro Woche berät er Menschen mit Behinderungen zum Thema Teilhabe. Er erklärt ihnen, was ihnen zum Beispiel in Sachen Barrierefreiheit und Hilfsangeboten zusteht und hilft ihnen auf dem Weg, es zu bekommen.

Sein zweiter Job ist in einem Inklusiven Café in Cölbe bei Marburg. Dort, im Salamanca, arbeitet Nikolaos als pädagogische Fachkraft mit Menschen, die eine psychische Erkrankung haben und gibt ihnen Struktur und Anleitung. Und wenn er gerade nicht berät, hilft er im Service.

Wertschätzung durch Vorgesetzte und Kolleg*innen

Er macht wunderbare Kaffee-Kreationen, bringt Essen und Trinken an die Tische und führt kurze Gespräche mit den Stammgästen. In beiden Jobs genießt er die wertschätzende Haltung seiner Vorgesetzten und Kolleg*innen. Und gibt genau diese Haltung weiter an die Klient*innen. Was er während der anderthalb Jahre Jobsuche erfahren hat, kann er nun an sie weitergeben, zusammen mit seinem wichtigsten Ratschlag: „Das Allerwichtigste ist, niemals aufzugeben. Sich wirklich nicht entmutigen zu lassen und immer dranzubleiben. Denn nur, wenn man dranbleibt, kann man auch etwas erreichen.“

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