Selbstbestimmt leben in der inklusiven WG „6plus4“

Die Chemie stimmt, das ist für alle das Wichtigste. Zusammen kochen, quatschen, lachen und Sorgen teilen – ein ganz normaler WG-Alltag eben. In der inklusiven WG „6plus4“ in Dresden leben zehn junge Menschen mit und ohne Behinderung zusammen. Bereichernd finden das alle. Während sich für die Mitbewohner*innen mit Behinderung der Traum vom selbstbestimmten Wohnen erfüllt, profitieren auch die Mitbewohner*innen ohne Behinderung vom Leben in der besonderen Gemeinschaft.

Vorbereitung aufs WG-Leben

Das kurze Video der Aktion Mensch gibt Einblicke ins Projekt „Wohnmeisterei“ der Lebenshilfe Dresden, über das sich die künftigen „6pus4“-Mitbewohner*innen vor dem Einzug auf das WG-Leben vorbereitet hatten.

Die inklusive WG „6plus4“  ist eine selbst organisierte Wohngemeinschaft in Dresden, in der sechs Menschen mit Behinderung und vier Menschen ohne Behinderung zusammenleben. Entstanden ist die WG durch das Engagement der Bewohner*innen und von Eltern, die sich als gesetzliche Betreuer*innen dafür eingesetzt hatten, den Traum des inklusiven Wohnens zu verwirklichen. 

Im Herbst 2017 konnte die WG nach vier Jahren Vorbereitungszeit in ihre neu gebauten Räumlichkeiten einziehen. „6plus4“ war damit die erste selbstverwaltete WG in Sachsen. Denn die Wohngemeinschaft wird von keinem Träger, sondern von den Eltern und Bewohner*innen selbst getragen. Sie haben sich als Auftraggebergemeinschaft zusammengeschlossen und führen darüber die Geschäfte der WG.

Menschen mit und ohne Behinderung sitzen an einem Tisch und lächeln in die Kamera.

Ziele und Regeln für das Zusammenleben

Auftraggebergemeinschaft zu sein beinhaltet unter anderem: Ihre Mitglieder vertreten gemeinsam die Interessen der WG-Bewohner*innen gegenüber Dritten wie Krankenversicherung, Pflegedienst oder Stadt. Sie setzen sich für die Rechte der Bewohner*innen ein und definieren gemeinsam Ziele und Regeln für das Zusammenleben. Der Assistenzdienst der Lebenshilfe Dresden und ein Pflegedienst sorgen für Unterstützung und Pflege im Alltag. Die Bewohner*innen ohne Behinderungen übernehmen ebenfalls im geringen Maße Assistenzaufgaben und zahlen deswegen weniger Miete. Trotzdem bleiben sie zuallererst Mitbewohner*innen. „Ich bin ein Kumpel und Freund, den man ansprechen kann“, sagt Mitbewohner Max Lippert. Finanziert wird die Assistenz über das Persönliche Budget.

Vor der Gründung der WG hatten Mitarbeiter*innen der Lebenshilfe im Rahmen eines Modellprojekts die künftigen Mitbewohner*innen beraten und begleitet. Bei einem Stammtisch konnten sich Gleichgesinnte kennenlernen. Außerdem gab es Workshops zur persönlichen Zukunftsplanung, bei denen sie ihre eigenen Wohnwünsche ergründen konnten.

Der Auszug von zu Hause oder aus Wohngruppen in die WG war dann die Feuerprobe: Würde das selbstbestimmte Zusammenleben gelingen? Aus Sicht der Bewohner*innen heißt die Antwort: Auf jeden Fall! Selbstbestimmt leben und wohnen, das bedeutet für René Press zum Beispiel: „Ich kann selber entscheiden, wann ich abends ins Bett gehe. Ich bin auch schon mal um 1 Uhr ins Bett gegangen. Es sind ja eigentlich keine Betreuer, sondern Assistenten in der WG. Sie assistieren uns. Sie bestimmen nicht. Ich kann selber entscheiden.“

Die inklusive WG „6plus4“  wird von der Aktion Mensch gefördert.

Einblicke in den WG-Alltag 

Wie der Alltag der Bewohnerinnen der inklusiven WG „6plus4“ heute aussieht, zeigt ein Film der Ostsächsischen Sparkasse, über deren Crowdfunding-Plattform die Küche der Wohngemeinschaft angeschafft werden konnte.
WOHN:SINN
Die inklusive WG „6plus4“ aus Dresden ist Mitglied bei WOHN:SINN. Der Verein setzt sich für mehr inklusive Wohnangebote im deutschsprachigen Raum ein. Er versteht sich als Bündnis, um die Wohnsituation von Menschen mit Behinderungen nachhaltig zu verändern. Das Ziel: Mehr Menschen sollen in den Genuss der „ganz besonderen Lebensqualität“ von inklusiven Wohnformen kommen – egal, ob sie eine Behinderung haben oder nicht. Die Gründung und der Betrieb von inklusiven Wohnformen bringen jedoch auch viele Herausforderungen mit sich. Deshalb versteht sich der Verein auch als Netzwerk von WGs, die sich gegenseitig unterstützen. Für weitere Interessierte hat WOHN:SINN einen Gründungsleitfaden für inklusive WGs in fünf Schritten erstellt. Außerdem berät und begleitet der Verein Menschen, die neue inklusive Wohnformen gründen wollen und führt Workshops und Fachveranstaltungen zum Thema durch. 
 

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