Das wir gewinnt

Innovative Hilfsmittel für blinde Menschen

Ein Mann mit Blindenstock geht auf einem schmalen Weg zwischen zwei Hecken. Um seine Hüfte trägt er einen breiten schwarzen Gürtel mit Bedienfeld.
Moderne Technik und Künstliche Intelligenz revolutionieren derzeit in rasantem Tempo den Hilfsmittelmarkt für blinde Menschen. Einiges von dem, was inzwischen möglich ist, zeigen wir Ihnen exemplarisch auf dieser Seite.
Hilfsmittel für blinde Menschen sollen ihren Nutzer*innen ein möglichst autonomes Leben ermöglichen. In den vergangenen Jahren hat ihre Entwicklung einen enormen Schub bekommen. Eröffneten schon Smartphones bis dahin ungeahnte Möglichkeiten der Unterstützung, gibt es inzwischen auch smarte Brillen, Langstöcke und Gürtel, die blinden Menschen dabei helfen, selbständig im Alltag zurecht zu kommen.
Auf der diesjährigen SightCity, der größten internationalen Hilfsmittel-Messe für blinde Menschen, hat unsere blinde Kollegin Carina Tillmann einige Neuentwicklungen getestet, die wir Ihnen vorstellen möchten. 

Envision Glasses und OrCam - Durchblick Dank smarter KI-Brillen

Künstliche Intelligenz (KI) sorgt aktuell immer wieder für Schlagzeilen: Sie kann Texte schreiben wie ein Mensch, täuschend echte Bilder erzeugen und vieles mehr. Doch wussten Sie, dass auch Hilfsmittel für blinde Menschen bereits KI verwenden?
Die bekanntesten KI-Hilfsmittel sind aktuell die OrCam sowie die Envision Glasses. Hierbei handelt es sich um intelligente Brillen, die blinde und sehbehinderte Anwender*innen mit zahlreichen Features unterstützen. Sie können Texte in gedruckter Form oder auf Displays vorlesen, Gesichter, Farben und Geldscheine erkennen und vieles mehr. Einige Funktionen können auch durch Sprachbefehle aktiviert werden. Dabei benötigt die OrCam noch nicht einmal eine Internetverbindung, was es den Anwender*innen ermöglicht, dieses Gerät in sehr datenschutzsensiblen Bereichen zu verwenden. 
Die Envision Glasses bieten zusätzlich die Möglichkeit, sich handschriftlich geschriebene Texte vorlesen zu lassen. Die Genauigkeit der Texterkennung ist jedoch von der Handschrift der Verfasser*innen abhängig. Weitere Merkmale, die die Envision Glasses zusätzlich von der OrCam unterscheiden, sind Bildbeschreibungen der Umgebung, das Finden von Objekten sowie eine Videoanruffunktion, mit deren Hilfe Vertrauenspersonen um Hilfe gebeten werden können. Doch nicht nur in ihren Funktionen unterscheiden sich die beiden KI-Brillen, sondern auch in der Art, wie die Geräte getragen werden. Während die Envision Glasses eine adaptierte Version der Google Glasses darstellt, handelt es sich bei der OrCam um ein kleines, etwa Feuerzeug-großes Gerät, dass mit Hilfe eines Magnetes an fast jeder Brille befestigt werden kann.
Beide Geräte können von den gesetzlichen Krankenkassen und weiteren Kostenträgern übernommen werden. Weitere Informationen finden Sie unter www.letsenvision.com und www.orcam.de
Im Video ist zu hören, wie die Envision Glasses den Gegenstand beschreibt, auf den die Trägerin ihren Blick richtet.
Junge Frau mit langen dunklen Haaren und sommerlicher roter Bluse trägt ein Brillengestell, in dessen rechten Bügel eine Kamera, ein kleines Display und weitere Technik integriert sind.
Die Envision Glasses haben ein eigenes Gestell, in dessen einem Bügel die Kamera und weitere Technik eingebaut ist.
Frau mit gewellten langen grauen Haaren sitzt mit einem kleinen Jungen auf einem Sofa und liest ihm vor. Am linken Bügel ihrer Brille ist ein Feuerzeug-großes Gerät angebracht.
Die OrCam dagegen ist etwa so groß wie ein Feuerzeug und wird am Bügel der normalen Brille befestigt.

Der Tactonom Reader bringt taktile Grafiken zum Sprechen

Bilder, Grafiken und Karten sind ein wichtiger Teil unseres Alltags - insbesondere in Schule, Ausbildung und Studium. Doch für blinde und sehbehinderte Menschen sind ihre Inhalte nur schwer zugänglich, selbst wenn sie in taktile Formate übertragen werden. Da Finger deutlich weniger Eindrücke erfassen können als das menschliche Auge, sind diese Materialien häufig nicht ohne Hilfe verständlich, die die Grafiken beschreibt und weitere Informationen gibt. So ist autonomes Lernen nicht möglich.
Das möchte das Nürnberger Unternehmen Inventivio ändern und hat daher den Tactonom Reader entwickelt. Auf eine Platte wird eine zuvor erstellte taktile Grafik gelegt, welche mit beliebig vielen akustischen Informationen versehen wurde. Diese sind im Gerät gespeichert. Durch einen QR-Code erkennt der Tactonom Reader, um welche Grafik es sich handelt und ordnet dann die Informationen zu. Die tastenden Finger der Anwender*innen werden durch eine Kamera erfasst, sodass auf Knopfdruck Informationen zu der Stelle wiedergegeben werden können, an der sich der Finger gerade befindet. Dies ermöglicht es den Lernenden, sich eine Grafik selbstständig zu erarbeiten. Das Gerät soll insbesondere im Bildungsbereich zum Einsatz kommen, eine Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen ist jedoch auch möglich. Weitere Informationen finden Sie unter www.tactonom.com

Im Video hören Sie, wie der Reader, auf dem ein taktiler Lageplan eingespannt ist, beim Abtasten der Wegepunkte dazu gespeicherte Informationen ausgibt.

IO: Innovativer Blindenstock aus Deutschland

Blindenstöcke, auch Langstöcke oder weiße Stöcke genannt, existieren schon seit fast 100 Jahren und doch erscheinen immer wieder neue, innovative Produkte.
Eines davon ist der IO der Firma Whitecane aus Duderstadt bei Göttingen. Der Stock besteht aus Carbon und ist dadurch extrem leicht. Sein gebogener Griff erhöht die Ergonomie und entlastet das Handgelenk. Das ist besonders wichtig, da die von vielen blinden Menschen verwendete Pendeltechnik das Handgelenk stark beansprucht. Kopfsteinpflaster, herumstehende E-Scooter oder Passant*innen, die versehentlich auf den Stock treten oder mit einem Koffer darüberfahren, können leicht zu Verletzungen der Nutzer*innen sowie zu Stockschäden führen. Um dies zu verhindern, verfügt der IO über ein Gelenk, welches bei Druck automatisch zu allen Seiten nachgeben kann. So wird der Impuls durch den IO abgefangen und nicht durch die Nutzer*innen. Darüber hinaus verbessert der Stock die Sichtbarkeit bei Tag und bei Nacht und wurde mit zahlreichen Design-Preisen ausgezeichnet. Er kann von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden - eine Erprobung ist möglich. Weitere Informationen finden Sie unter https://whitecane.com

Im Video demonstriert ein Firmenmitarbeiter, wie der IO-Langstock Stöße und Druck abfedert.

WeWalk: smarter Blindenstock mit Hinderniserkennung und Navigation

Navigationssystem, Fahrplanauskunft, Hindernismelder und Blindenstock in einem, geht das? Ja, das behauptet zumindest die Firma WeWalk aus der Türkei, deren smarter Blindenstock von der Firma Reinecker Vision vertrieben wird. Beim WeWalk handelt es sich um einen Stockgriff für handelsübliche Blindenstöcke der Firma Ambutech. Dieser Griff warnt per Vibration vor Objekten im Brustbereich und hilft damit Zusammenstöße zu vermeiden. In Verbindung mit einer barrierefreien Smartphone-App lässt sich der Funktionsumfang des WeWalk-Griffs jedoch noch erweitern. So können sich blinde Menschen von ihrem Blindenstock beispielsweise zu einer Bushaltestelle navigieren lassen. Dort angekommen, können per Knopfdruck die nächsten abfahrenden Buslinien angezeigt werden. Wenn man dann in den Bus einsteigt, wählt man aus einer Liste die gewünschte Haltestelle aus. Wird diese Haltestelle erreicht, informiert der Stock darüber. Letzeres ist besonders hilfreich, weil Ansagen in öffentlichen Verkehrsmitteln häufig schwer verständlich sind oder gar nicht funktionieren. Möchte man seine Umgebung erkunden oder ist in der Innenstadt auf der Suche nach einem bestimmten Geschäft, kann der WeWalk zudem über interessante Orte in der Nähe informieren. Eine Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen sowie eine unverbindliche Erprobung des Stocks sind möglich. Weitere Informationen finden Sie unter www.reineckervision.de/produkte/elektronische-brillen-und-mobile-assistenzsysteme/wewalk
Junge Frau mit dunklen Haaren in gestreiftem Pulli hält an einem Messestand einen Blindenstock in der Hand, der einen verbreiterten Multifunktionsgriff hat, ähnlich einer Fernbedienung.

Der feelSpace-naviGürtel sorgt für Orientierung

Sich sicher und selbstbestimmt im Straßenverkehr zu orientieren, stellt für viele blinde und sehbehinderte Menschen eine große Herausforderung dar. Insbesondere Straßen und große Plätze gerade zu überqueren, fällt ihnen schwer, da es dafür selten Leitlinien oder andere Orientierungsmöglichkeiten gibt. Um Betroffenen die Orientierung zu erleichtern, hat die Firma feelSpace aus Osnabrück den sogenannten naviGürtel entwickelt. Dieser wird wie ein Gürtel um die Taille getragen und enthält 16 Vibrationsmotoren, die sich gleichmäßig um den Bauch herum verteilen. Wenn sich die Nutzer*innen mit dem Gürtel bewegen, wandert das Vibrationssignal um sie herum. Im Offlinemodus zeigt der Gürtel dabei an, wo sich Norden befindet. In Verbindung mit einer kostenlosen Smartphone-App zeigt das Vibrationssignal stets die Gehrichtung an und informiert über Abbiegungen: Vibriert es an der rechten Hüfte, so muss man eine 90°-Drehung machen. 
Der feelSpace naviGürtel hat eine Hilfsmittelnummer und kann von den Krankenkassen übernommen werden. Weitere Informationen finden Sie unter www.feelspace.de
Ein Mann mit Blindenstock geht auf einem schmalen Weg zwischen zwei Hecken. Um seine Hüfte trägt er einen breiten schwarzen Gürtel mit Bedienfeld.

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