Das wir gewinnt
Ein MOIA Bus steht mit geöffneter Hecktür und heruntergelassener Rampe am Straßenrand. Ein Mann schiebt eine Person im Rollstuhl auf die Rampe.
Ein MOIA Bus steht mit geöffneter Hecktür und heruntergelassener Rampe am Straßenrand. Ein Mann schiebt eine Person im Rollstuhl auf die Rampe.
Ein MOIA Bus steht mit geöffneter Hecktür und heruntergelassener Rampe am Straßenrand. Ein Mann schiebt eine Person im Rollstuhl auf die Rampe.

Barrierefreies Ride-Pooling: MOIA in Hamburg

Wer mit dem Rollstuhl unterwegs ist, kennt das: Kaputte oder fehlende Aufzüge, mangelnde Informationen und unzugängliche Fahrzeuge machen das Von-A-nach-B-kommen mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) schwierig bis unmöglich. In Hamburg haben Rollstuhlfahrer*innen nun mit einem sogenannten "Ride-Pooling-Service" eine neue rollstuhlgerechte Mobilitäts-Option: Mit einer Art Sammel-Taxi-Pool bündelt der Mobilitäts-Service MOIA die Fahrtwünsche mehrerer Personen.
 „On-Demand-Dienste“ wie MOIA werden derzeit in einigen deutschen Städten in Modellprojekten studiert und ausprobiert. In Hamburg befördern seit 2019 täglich mehrere hundert Elektro-Kleinbusse Fahrgäste kreuz und quer durch die Stadt. Seit diesem Jahr gibt es zwei Verbesserungen in Sachen Barrierefreiheit: MOIA ist jetzt offiziell Teil des ÖPNV. Menschen mit einem Schwerbehinderten-Ausweis und gültiger Wertmarke können somit die kostenfreie Nutzung von MOIA beantragen. Zudem können seit Januar 2023 auch Rollstuhlfahrer*innen mit MOIA fahren. Die Flotte wurde um 15 rollstuhlgerechte Fahrzeuge erweitert. Der Ride-Pooling-Service hat auch sein Einsatzgebiet um knapp ein Drittel vergrößert – von 200 auf 270 Quadratkilometer.

On-Demand-Ride-Pooling – was ist das?

Ride-Pooling ist ein digital gesteuerter Mobilitätsdienst. Auf Bestellung (engl.: on demand) bündelt er Fahrten von Menschen, die ungefähr in die gleiche Richtung wollen. Dadurch, dass sich viele Menschen ein Fahrzeug teilen, hilft Ride-Pooling den Städten bei der Verkehrswende. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) rechnet vor: „380.000 On-Demand-Busse würden ausreichen, um sämtliche Zweit- und Drittwagen in Deutschland – rund 12 Millionen Pkw – zu ersetzen.“ Das Unternehmen MOIA gehört zu VW und bietet Ride-Pooling in Hamburg und Hannover. „Wir wollen private Pkw-Fahrten reduzieren und so in den Städten für weniger Verkehr sorgen“, sagt Jennifer Langfeldt, Pressesprecherin von MOIA. Die 450 MOIA-Fahrzeuge in Hamburg fahren alle elektrisch. Es sind Kleinbusse mit sechs Sitzen. Ride-Pooling funktioniert in etwa wie Sammeltaxis. Nur gibt es keine fixen Fahrpläne, Routen und Haltestellen. Die werden digital von einem Algorithmus je nach nach Bedarf berechnet. Jedes Fahrzeug sammelt an virtuellen Haltepunkten Menschen ein, die ungefähr in dieselbe Richtung fahren möchten. Damit das System weiß, wer von wo nach wo fahren möchte, brauchen Fahrgäste ein Smartphone und die MOIA-App, mit der sie ihre Fahrten buchen. 
Ein goldener Kleinbus mit der Aufschrift "MOIA" fährt über eine Hamburger Straße.

Wie komme ich mit MOIA von A nach B?

Vor der ersten Fahrt lädt man sich die App herunter, meldet sich an und hinterlegt im persönlichen Account ein Zahlungsmittel (Kreditkarte oder Paypal). In der App kann man im eigenen Profil unter dem Punkt Barrierefreiheit angeben, dass man mehr Zeit braucht für Fußwege, ein beeinträchtigtes Sehvermögen hat oder Rollstuhlfahrer*in ist. Diese Infos bekommt bei einer Buchung auch der oder die Fahrer*in übermittelt. Dann weiß er oder sie, wenn ein Fahrgast Assistenz benötigt. 

In der App können Nutzer*innen dann ein Ziel eingeben. Dann bekommt man einen Haltepunkt in Form einer Straße mit Hausnummer angezeigt und die Zeit, zu der das Fahrzeug den Haltepunkt erreichen wird. Die App bietet mehrere Möglichkeiten an und zeigt den Fahrpreis.  Die passende Fahrt bucht man dann mit einem Klick verbindlich und kostenpflichtig Die Haltepunkte befinden sich meist in Nebenstraßen, damit das Fahrzeug gut halten kann und den fließenden Verkehr nicht stört.

Inwiefern ist MOIA barrierefrei?

Die App ist für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen nutzbar. Sie lässt sich mit Stimme und Screenreader steuern. „Ich bin sehr angetan von dem Service“, sagt Robert Sandberg. Er hat MOIA ausprobiert für den Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg und berichtet über seine Erfahrung in einer Folge des Podcasts „Ganz Ohr“ .

Seit Januar 2023 fahren in der MOIA-Flotte auch 15 rollstuhlgerechte Fahrzeuge. „Dafür haben wir einen E-Crafter von Volkswagen eigens fürs barrierefreie Ride-Pooling weiterentwickelt“, sagt Jennifer Langfeld von MOIA. Einer von fünf Sitzen kann weggeklappt werden und macht Platz für eine*n Rollstuhlfahrer*in. Der Zustieg erfolgt über einen elektrohydraulischen Hecklift. Der Rollstuhl ist zum Transport geeignet, wenn er folgende Maße nicht überschreitet:  75 Zentimeter Breite, 100 Zentimeter Länge, 155 Zentimeter Höhe, Gewicht maximal 250 Kilo. Die Fahrer*innen der rollstuhlgerechten Kleinbusse können die Rampe bedienen, den Rollstuhl sicher verankern und wissen, wo man am besten parkt. Eine Rollstuhlfahrerin bedankt sich via Facebook: „Liebe MOIA, ihr seid klasse. Ihr habt mich von Billstedt nach Sternschanze super hingebracht und wieder abgeholt. Ihr habt mit Respekt und Witz mich als Rollstuhlfahrer super behandelt. Danke.“

Wie inklusiv ist MOIA?

Das Unternehmen setzt auf Partizipation und macht regelmäßig Workshops mit verschiedenen Zielgruppen: Verbände, Familien, Menschen mit Sehbeeinträchtigung, Mobilitätseingeschränkte. „Von Anfang an haben wir Kontakt gesucht zu unseren Fahrgästen, deren Bedürfnisse erfragt und in ko-kreativen Prozessen Lösungen dafür erarbeitet“, sagt Langfeld. Die Wünsche und Erkenntnisse aus den Workshops seien zum Beispiel eingeflossen in das Design der Sitze, den Zustieg zum rollstuhlgerechten Fahrzeug und in Features in der App.

Von Anfang an haben wir Kontakt gesucht zu unseren Fahrgästen, deren Bedürfnisse erfragt und in ko-kreativen Prozessen Lösungen dafür erarbeitet.

Jennifer Langfeldt, Pressesprecherin MOIA
Dadurch, dass der Mobilitäts-Service jetzt offiziell Teil des ÖPNV ist, dürfen Menschen mit Schwerbehinderten-Ausweis auch MOIA kostenfrei nutzen. Dafür müssen sie sich einmalig persönlich mit ihren Dokumenten anmelden.

Welche Herausforderungen werden durch barrierefreies Ride-Pooling gelöst?

Häufiges Umsteigen ist für alle lästig, die den Öffentlichen Verkehr nutzen. Für Rollstuhlfahrer*innen bedeuten Umstiege jedoch öfter das Ende der Fahrt. Zum Beispiel, wenn der Fahrstuhl nicht funktioniert und man nicht zum richtigen Gleis kommt. Oder wenn der Anschlussbus keine Rampe hat für Rollstuhlfahrer*innen. Barrierefreie Ride-Pooling-Angebote wie MOIA sind zwar kein Tür-zu-Tür-Services wie Taxis. Aber die Haltepunkte sind oft näher als die nächste Bushaltestelle oder U-Bahn-Station. Und: Einmal eingestiegen, braucht  man nicht umzusteigen und kommt in jedem Fall zum Ziel.

Ride-Pooling-Services in Deutschland

CleverShuttle ist ein Unternehmen, das in mehreren Städten und Regionen Rufbusse organisiert. Zum Beispiel in Leipzig, Düsseldorf und Darmstadt (HeinerLiner). Auf seiner Internetseite schreibt CleverShuttle über Barrierefreiheit: „Mobilitätseingeschränkte Personen haben beispielsweise die Möglichkeit, eine Rollstuhlbeförderung im Buchungsprozess auszuwählen. Viele unserer Shuttles sind bereits barrierefrei umgebaut und können Personen mit Rollstühlen bis zu einem Gewicht von 350 kg befördern. Mobilitätseingeschränkte Fahrgäste gelangen mit Hilfe unseres geschulten Fahrpersonals über eine Rampe in die Fahrzeuge, die Rollstühle werden dann gesichert. Die Praxis zeigt, dass dies schnell und unkompliziert ist.“
Die Stadtwerke in Münster testen mit „Loop“ drei Jahre lang Ride-Pooling. Sie setzen die sogenannten London-Taxen ein. Die Hybrid-Fahrzeuge fahren überwiegend elektrisch und sind barrierearm. Sie verfügen über eine Klapp-Rampe und schwenkbaren Klappsitz. Die Fahrer*innen helfen beim Einstieg.
BerlKönig war von 2018 bis 2022 ein Modellprojekt in Berlin; eine Kooperation zwischen den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) und dem Unternehmen Via, Entwickler und Anbieter von On-Demand-Technologien für den öffentlichen Nahverkehr. Die BVG schreibt zum Ende des Projektes: „Die Projektpartner sammelten wertvolle Erfahrungen zum Betrieb von On-Demand-Verkehren in Berlin, die nun in die neuen Rufbus-Projekte der BVG einfließen, um die umweltfreundliche Mobilität in Berlin weiterzuentwickeln. Die Vorbereitungen für die beiden neuen On-Demand-Angebote der Berliner Verkehrsbetriebe, den „BVG Rufbus“ und die „Alternative Barrierefreie Beförderung (ABB)“ (jeweils Arbeitstitel), laufen parallel auf Hochtouren. Den Ride-Pooling-Algorithmus, die Fahrzeugflotte und das Fahrpersonal für die neuen Angebote stellt ebenfalls die Firma Via, die sich im Frühjahr bei einer Ausschreibung durchgesetzt hatte. Der Vertrag läuft bis Jahresende 2025.

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