Ab Juni 2025 sind privatwirtschaftliche Anbieter*innen digitaler Produkte und Dienstleistungen gesetzlich verpflichtet, ihre Online-Angebote barrierefrei zu gestalten. Das steht im Barrierefreiheitsstärkungsgesetz. Denn ein inklusives Internet hat eine hohe Bedeutung für die gesellschaftliche Teilhabe. Die Aktion Mensch und Google haben in Zusammenarbeit mit der Stiftung Pfennigparade und der Beratungsagentur BITV-Consult in einem Test die Barrierefreiheit der in Deutschland meistbesuchten Onlineshops überprüft.
Test zur Barrierefreiheit deutscher Online-Shops
Mal schnell eine Online-Überweisung tätigen oder neue Schuhe bestellen? Was für viele Menschen inzwischen selbstverständlich erscheint, ist für Menschen mit Beeinträchtigung oft mit großen Hürden verbunden oder sogar unmöglich. Das Internet und vor allem Onlineseiten von gewerblichen Anbietern sind zu einem ganz überwiegenden Teil nicht barrierefrei nutzbar. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Menschen mit Beeinträchtigung – allein schon durch die Alterung der Gesellschaft – zu. Das zeigt, wie wichtig Barrierefreiheit im Internet ist.
Um ein genaueres Bild vom Stand der Dinge in Sachen Barrierefreiheit auf kommerziellen Online-Seiten zu bekommen, haben die Aktion Mensch und Google mit Unterstützung von BITV-Consult und der Stiftung Pfennigparade Angebote von rund 80 der meistbesuchten Online-Shops getestet. Der Test, der mit fachlicher Beratung durch die Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik (BFIT-Bund) durchgeführt wurde, deckt die acht wichtigsten Prüfkriterien der Richtlinien für barrierefreie Webinhalte (WCAG 2.1) ab. Dass es reicht, sich im Test auf diese acht Kriterien zu konzentrieren, zeigt: Webseitenbetreiber müssen eigentlich nur einige grundlegende Aspekte beachten. Mit wenigen Anpassungen eröffnet sich damit ein großes Potential für zufriedene Online-Kund*innen.
Untersuchte Seiten
Testphasen
Anhand einer typischen „User Journey“ wurden die ausgewählten Webseiten zunächst automatisiert und dann manuell auf Barrierefreiheit überprüft - in zwei Schritten:
- Tastaturbedienbarkeit als Grundvoraussetzung für digitale Barrierefreiheit
- Webseiten, die per Tastatur bedienbar waren, wurden auf bis zu sieben weitere Kriterien getestet (siehe nächster Kasten).
Kriterien
Die acht besonders nutzerorientierten und wichtigsten Kriterien für digitale Barrierefreiheit beim Online-Shopping, auf Basis der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) des World Wide Web Consortiums (W3C), sind:
- Ist eine Seite auch per Tastatur statt Maus bedienbar?
- Sind auszufüllende Formularfelder verständlich beschriftet und erklärt?
- Ist die Textgröße änderbar?
- Sind Zeichen- und Zeilenabstände anpassbar ohne Verlust von Inhalt (Textumbruch)?
- Sind multimediale Inhalte untertitelt?
- Können Nutzer*innen multimediale Inhalte pausieren, beenden, ausblenden?
- Sind Überschriften und Beschriftungen aussagekräftig und verständlich?
- Sind interaktive Elemente (beispielsweise Buttons oder Drop-Down-Menüs) durch assistive Technologien auslesbar?
Prüfgruppe
Zu den sieben Prüfexpert*innen des von BITV-Consult und der Stiftung Pfennigparade durchgeführten Tests gehörten Menschen mit unterschiedlichen körperlichen, kognitiven oder Sinnes-Behinderung.
Testergebnis
Das Ergebnis des Tests zeigt, wie groß der Handlungsbedarf der Firmen bis 2025 noch ist: 75 Prozent der untersuchten Shops waren nicht barrierefrei. Mangelnde Tastaturbedienbarkeit war dabei die häufigste Barriere. 61 von 78 untersuchten Webseiten waren nicht über die Tastatur alleine bedienbar. Zudem standen Tester*innen mit Sehbehinderung auf vielen der untersuchten Webseiten vor der Herausforderung einer fehlenden Kontrastfarbe: Sind Farben der Texte und Hintergründe nicht stark genug kontrastiert, ist es schwierig bis unmöglich für sie, diese Texte zu lesen. Eine weitere Hürde stellten eingeblendete Inhalte wie Banner dar, welche die Tester*innen auf der Website nicht schließen konnten.
Erfreulich ist: Die getesteten Seiten, die das Kriterium der Tastenbedienbarkeit erfüllten, waren meist auch in anderer Hinsicht barrierefrei. Alle 17 von ihnen konnten das Kriterium eindeutiger Beschriftungen (Labels) beim Ausfüllen von Formularen erfüllen. Immerhin 15 von 17 Seiten boten bereits das einfache Ändern der Textgröße (“Pinch-to-Zoom“) an, um so eine bessere Lesbarkeit der Webseite zu erreichen. Bei immerhin zwölf von 17 Webseiten waren auch interaktive Bedienelemente (“Hamburger-Menüs”) im Bestellprozess korrekt beschriftet, ihr jeweiliger Status (beispielsweise die vorausgewählte Größte bei Kleidung) wurde korrekt ausgelesen und die Nutzer*innen konnten die Auswahl problemlos verändern. Bei diesen 12 Seiten war es den Tester*innen also möglich, erfolgreich durch den gesamten Kaufprozess zu navigieren.
Detlef Girke, Experte für digitale Barrierefreiheit (BITV-Consult) und Tester, resümiert: Gelungene Inklusion setzt digitale Barrierefreiheit voraus. Doch leider wird sie von Unternehmen in der Entwicklung von digitalen Angeboten viel zu selten von Beginn an mitgedacht - hier muss ein Umdenken stattfinden. Mein Wunsch für die Zukunft ist es, dass digitale Barrierefreiheit zur Selbstverständlichkeit wird.
Der Test zum Download
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Welche Kriterien haben wir herangezogen?
- Methodik: Wie haben wir den Test genau durchgeführt?
- Testergebnisse: So barrierefrei sind die untersuchten Webseiten
- Handlungsempfehlungen: Was Betreiber von Webseiten tun können
- Fazit
- Rechtliche und politische Einordnung
- Über die Partner des Testberichts
- Anhang und nützliche Links
- Impressum

Warum digitale Teilhabe so wichtig ist
Online lernen, online arbeiten, online einkaufen: Digitale Angebote erleichtern uns heutzutage in nahezu allen Bereichen den Alltag. Für die 7,8 Millionen Menschen in Deutschland mit einer anerkannten Schwerbehinderung sieht die Realität jedoch häufig anders aus: Digitale Barrieren machen ihnen den einfachen Zugang zu diesen Angeboten schwer. Neben Menschen mit Behinderung oder Beeinträchtigung werden durch digitale Barrieren zum Beispiel aber auch viele Senior*innen ausgeschlossen oder Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist.
Fakt ist: Barrierefreiheit im Internet ist für zehn Prozent der Bevölkerung unerlässlich, für etwa 30 Prozent notwendig und für 100 Prozent hilfreich. Von einem einfachen und komfortablen Zugang zu Webseiten profitiert also letztlich Jede*r.
Online-Shopping wird immer wichtiger
Auch bezogen auf die Gesamtbevölkerung wächst die Beliebtheit von Online-Shopping. Eine repräsentative Statista-Umfrage zeigt, dass die E-Commerce-Branche bis 2025 knapp 100 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaften wird. Mode und Elektronik sind dabei die umsatzstärksten Branchen.