Das wir gewinnt
Fünf junge Frauen lachen an einem großen Tisch.

Wie gründe ich eine inklusive WG?

Immer mehr Menschen mit Behinderung entscheiden sich für das Leben in einer inklusiven Wohngemeinschaft (WG). Dort kochen und essen die Bewohner*innen gemeinsam, sie verbringen einen Teil ihrer Freizeit zusammen und können sich eine Assistenz teilen. Natürlich gibt es auch Pflichten im Alltag, die die WG-Mitglieder gemeinsam bewältigen müssen: Kochen, Putzen und Einkaufen zum Beispiel. 

Natürlich können Sie in eine bestehende inklusive WG einziehen. Entsprechend müssen Sie aber das dortige Regelsystem und die vorhandenen Mitbewohner*innen akzeptieren. Außerdem ist es teilweise schwierig einen Platz in einer solchen WG zu ergattern. Wenn Sie selbst eine WG gründen, haben Sie jede Menge eigenen Gestaltungs-Spielraum. Diese Dinge sollten Sie beachten: 

Inhaltsverzeichnis

  • Was ist eine inklusive WG?
  • Welche Rechtsformen gibt es?
  • Wie finde ich Mitbewohner*innen?
  • Wie finde ich eine passende Wohnung?
  • Wie gehe ich Schritt für Schritt vor?
  • Wo bekomme ich Unterstützung?
  • Gibt es finanzielle Unterstützung?
Inklusive WGs kennenlernen
Um einen Eindruck zu bekommen, können Sie auch bestehende inklusive WGs besuchen und den Bewohner*innen Ihre Fragen stellen. Projekte in Ihrer Nähe finden Sie unter anderem in dieser Übersichts-Karte: 

Was ist inklusives Wohnen in einer Wohngemeinschaft?

Menschen mit und ohne Behinderung leben selbstbestimmt zusammen. Sie haben je ein eigenes Zimmer. Wohnzimmer, Küche und Bad teilen sie sich. Die Mitbewohner*innen helfen sich, wo es nötig ist, und gestalten einen Teil ihres Alltags gemeinsam. Das kann in einer Wohngemeinschaft, einer Hausgemeinschaft oder auch im Austausch mit der Nachbarschaft sein.

Der Vorteil ist: Sie sind nicht einsam, sondern immer im Austausch mit anderen Menschen. Der Nachteil: Natürlich müssen viele Dinge gemeinsam geregelt und besprochen werden. Hin und wieder gibt es Streit. Aber man ist trotzdem aufeinander angewiesen. Ein bisschen wie in einer Familie. 

Wer wieviel Unterstützung im Alltag braucht oder gibt, ist von WG zu WG unterschiedlich. Vielleicht umfasst die Hilfe die gesamte Haushaltsführung. Vielleicht nur die Gartenpflege und gelegentliches Einkaufen. Das müssen Sie von Fall zu Fall mit Ihren Mitbewohner*innen aushandeln und organisieren. 

Für die Unterstützung können Sie einen Assistenz-Dienst oder einzelne Assistenzen beschäftigen. Sie können auch „Wohnen für Hilfe“ anbieten: Das heißt, jemand wohnt mit in der WG, zahlt aber weniger Miete. Dafür hilft er oder sie bei bestimmten Aufgaben.

Welche Rechtsformen der inklusiven Wohngemeinschaft gibt es?

Wenn Sie eine inklusive WG gründen möchten, ist zunächst die Frage, wie Sie diese rechtlich organisieren. Das ist wichtig, um finanzielle Unterstützung zu beantragen. Es ist gut, als sogenannte Körperschaft auftreten zu können. Auch bei der Planung der Assistenzen ist das relevant. 

Auch das Zusammenleben der Bewohner*innen mit und ohne Behinderung sollte klar geregelt sein: Wer hat welche Rechte und Pflichten? 

Sie haben verschiedene Möglichkeiten der rechtlichen Organisation. Zum Beispiel können Sie Ihre Wohngruppe als gemeinnützig anerkennen lassen. Das bringt steuerliche Vorteile. Voraussetzungen dafür sind unter anderem:

  • Die WG muss prinzipiell offen für alle sein. 
  • Das Projekt unterstützt das selbstbestimmte Leben von Menschen mit Behinderung. 
  • Bürgerschaftliches Engagement wird gefördert. 

Die Gemeinnützigkeit gibt es zum Beispiel in Vereinen, Stiftungen oder auch in gemeinnützigen GmbHs (gGmbH). Aber Achtung! Eine wichtige Frage ist, wer im Schadensfall haftet. Beim Verein ist das zum Beispiel der gesamte Vorstand. Hier kann eine Versicherung helfen. Bei einer gGmbH haftet die Geschäftsführung in der Regel nicht mit ihrem Privatvermögen. 

Die möglichen Rechtsformen im Überblick:
Ein eingetragener Verein kann ehrenamtlich oder professionell geführt sein, zum Beispiel, wenn er gleichzeitig Assistenz-Dienste anbietet. In der Satzung und der Geschäftsordnung stehen alle Regeln des Vereins. Er muss offiziell im Vereinsregister eingetragen werden. Die Gemeinnützigkeit kann man beim Finanzamt beantragen.
Das ist die häufigste Organisationsform bei den so genannten Auftraggeber-Gemeinschaften. So können alle Bewohner*innen gemeinschaftlich eine Wohnung mieten oder einen Pflegeservice beauftragen. Alle haben die gleichen Rechte. Im Gesellschaftsvertrag sind Regeln und Zuständigkeiten festgehalten. Für eventuelle Schäden oder auch Mietausfälle haften alle zusammen. Das kann zum Beispiel sein, wenn ein Zimmer der WG längere Zeit nicht vermietet werden kann. Die GbR kann allerdings nicht gemeinnützig sein.
Die persönliche Haftung für Schäden ist hier ausgeschlossen. Aber für die Gründung einer GmbH oder gGmbH (gemeinnützige GmbH) sind 25.000 Euro Kapital nötig. Alle Regeln sind im Gesellschafts-Vertrag festgehalten, die Firma muss im Handelsregister eingetragen werden. 
Hier geht es um Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung. Zum Beispiel beim gemeinsamen Erwerb oder Bau einer Immobilie. Gegen eine finanzielle Beteiligung bekommt man ein Recht auf Mitbestimmung. Wer aus dem Projekt auszieht, bekommt seinen Anteil zurück. Wenn man sich den finanziellen Anteil nicht leisten kann, gibt es Kredite, zum Beispiel bei der KfW-Bank oder Hilfe von Stiftungen.
Ihr Grundkapital kommt von einem Unternehmen, einer Organisation oder einer Privatperson, die sich gemeinnützig engagieren möchte. Sie können dann nicht mehr darauf zurückgreifen. Die Erträge fließen in die gemeinnützigen Projekte. Zum Beispiel in den Kauf oder die Verwaltung einer Immobilie, in die dann eine inklusive WG einzieht. 
Überlegen Sie, welche Rechtsform Sie wählen möchten. Entsprechend können Sie bei sozialen Trägern anfragen, ob sie mit in das Projekt einsteigen möchten. Oder Sie legen selbst los: Dann suchen Sie sich eine Wohnung, nette Mitbewohner*innen und die passgenaue Unterstützung von einem Assistenz-Dienst.  

Wie finde ich Mitbewohner*innen für meine inklusive WG?

Gemeinsam Wohnen bedeutet eine große Nähe. Deshalb ist es wichtig, Menschen zu finden, mit denen Sie sich gut verstehen. Besprechen Sie im Vorfeld miteinander, wie Sie sich das gemeinsame Wohnen vorstellen. Vielleicht besuchen Sie auch verschiedene Projekte in Ihrer Nähe, schauen sich die möglichen Formen des gemeinsamen Wohnens an und sprechen mit den Menschen dort. 

So können Sie mögliche Mitbewohner*innen kennenlernen:

  • Fragen Sie in Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis, wer Lust hat, die Idee mit Ihnen gemeinsam umzusetzen.
  • Suchen Sie aktiv über Gruppen in den Sozialen Medien wie Facebook oder Instagram.
  • Werfen Sie einen Blick in die Wohnprojekte-Karte von Wohn:Sinn , oder erstellen Sie dort einen neuen Gesuch-Auftrag.
  • Melden Sie sich bei der Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) oder die Koordinierungs-, Kontakt und Beratungsstelle (KoKoBe) in Ihrer Nähe. Vielleicht kennen die Mitarbeitenden dort noch andere Interessenten für eine inklusive WG.

Wenn Ihre Wohngemeinschaft komplett ist: Lernen Sie sich in Ruhe kennen. Treffen Sie sich, um über gemeinsame Wünsche und Ziele zu sprechen. Klären Sie, wer welche Unterstützung braucht oder geben kann. Und wer diese Unterstützung geben soll: Ein*e Mitbewohner*in oder eine externe und ausgebildete Assistenz?

Wichtige Fragen sind in diesem Zusammenhang auch, wie barrierefrei die Wohnung oder das Haus sein soll. Und wie zukünftige Mitbewohner*innen ausgewählt werden sollen, wenn ein Mitglied der WG auszieht.

Inklusive WG gründen: Wie finde ich eine passende Wohnung?

Bezahlbaren Wohnraum zu finden, ist im Moment nicht einfach. Vor allem in großen Städten und in Ballungsräumen gibt es für jede Wohnung sehr viele Bewerber*innen. Soll die Wohnung darüber hinaus auch barrierefrei sein, wird die Wohnungssuche zu einer noch größeren Herausforderung. Wie kleinere Barrieren in einer vorhandenen Wohnung abgebaut werden können, erfahren Sie hier. 

So können Sie bei der Wohnungssuche vorgehen, um Ihr WG-Projekt zu starten: 

  • Klären Sie mit Ihren zukünftigen Mitbewohner*innen, wo die Wohnung idealerweise liegen sollte: Im Zentrum oder lieber im Grünen? Auch finanziell sollten Sie sich einigen: Was ist der höchste Preis, den wir gemeinsam bezahlen können? Wie barrierefrei muss die neue Wohnung sein?
  • Vielleicht können Sie oder ein*e Mitbewohner*in einen so genannten „Mehrbedarf bei Wohnraum“ beantragen. Wer Bürgergeld oder Grundsicherung bekommt und eine Behinderung hat, kann zusätzlich Geld für eine barrierefreie Wohnung bekommen. Das können Sie in Ihrem Budget berücksichtigen.
  • Formulieren Sie eine kurze Beschreibung zu Ihrem Projekt. Am besten mit Fotos und ein paar Worten zu allen Beteiligten. Diese Informationen können Sie bei jeder Bewerbung auf eine Wohnung mitschicken. 
  • Schauen Sie im Internet in die gängigen Portale: Immoscout24, Immowelt, Immonet und Wohnungsbörse zum Beispiel. Nehmen Sie Kontakt auf, um Ihr Interesse an einer Wohnung zu bekunden.
  • Wenden Sie sich gezielt an Institutionen, die einen sozialen Hintergrund haben: Wohnungsbau-Genossenschaften, Caritas, Diakonie, DRK, AWO oder Ähnliche. Sie können Multiplikatoren für Ihr Projekt sein, zum Beispiel indem sie auf ihrer Homepage darüber berichten. Vielleicht könne sie aber auch mit ihren Kontakten innerhalb der Kommune helfen.
  • Fragen Sie im Freundes- und Bekanntenkreis, ob jemand eine Idee hat. Wenn alle Mitbewohner*innen das tun, erreichen Sie viele Menschen. So sind positive Überraschungen sehr wahrscheinlich.
  • Vereinbaren Sie einen Zeitpunkt, an dem die erste Runde der Wohnungssuche enden soll. Wenn Sie bis dahin nichts gefunden haben: Setzen Sie sich erneut zusammen und überlegen, welchen Kompromiss Sie gemeinsam eingehen könnten. Doch lieber raus aufs Land? Mehr Geld ausgeben? Oder auch mal kleinere Wohnungen anschauen?
  • Wenn die nächste Runde auch erfolglos bleiben sollte: Überlegen Sie, ob Sie gemeinsam ein Haus bauen (lassen) wollen. Als Investoren kommen zum Beispiel Städte und Gemeinden, Kirchen oder auch Genossenschaften in Frage.

Wo bekomme ich Beratung und Unterstützung?

Die Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) hat Beratungsstellen in ganz Deutschland. Die Ansprechpartner*innen haben selbst eine Behinderung. Sie kennen sich gut aus und haben Kontakte zu allen relevanten Stellen. Hier finden Sie die EUTB in Ihrer Nähe:

Das bundesweite Projekt WOHN:SINN bietet in seinen vier Regionalstellen ebenfalls persönliche Beratung zu inklusiven Wohnprojekten an:

Menschen mit kognitiven Einschränkungen können sich an die Lebenshilfe wenden:

Viele Städte und Gemeinden haben eigene Beratungsstellen zum Thema „Behindertengerecht Wohnen“.

Auch die Landschaftsverbände unterstützen. Hier ein Beispiel vom Landschaftsverband Rheinland:

Tipps für den Wechsel vom Wohnheim in eine Wohngemeinschaft gibt es bei den Maltesern:

Einen Leitfaden mit dem Schwerpunkt auf Menschen mit kognitiven Einschränkungen finden Sie hier:

Eine inklusive WG gründen: Was muss ich alles erledigen?

Eine barrierefreie Wohnung suchen, passende Mitbewohner*innen finden oder die Finanzierung des WG-Projekts klären: Bei der Gründung einer inklusiven WG ist viel zu tun. Damit das Vorhaben klappt, müssen einige Schritte beachtet werden. Dabei ist der “Leitfaden zur Gründung inklusiver Wohnprojekte” von Wohn:Sinn eine gute Unterstützung. Zu jedem Schritt erhalten Sie detaillierte Tipps und Ratschläge. 

Wo bekomme ich finanzielle Hilfen?

Je nach Behinderung können verschiedene Träger unterstützen:

  • Die Unfallversicherung, wenn die Behinderung die Folge eines Arbeitsunfalls, Wegeunfalls oder einer Berufskrankheit ist.
  • Die Agentur für Arbeit oder das Jobcenter, wenn der Umzug in einem Zusammenhang mit einer beruflichen Reha steht.
  • Das Integrationsamt oder Inklusionsamt, wenn es um Teilhabe am sozialen Leben geht.
  • Die Pflegekassen, wenn es um Zuschüsse zur Verbesserung des individuellen Wohnumfelds geht. 

Wenn Sie nur ein geringes Einkommen haben, können Sie bei Ihrer Stadt oder Ihrem Kreis Wohngeld beantragen. Bundesweit gültige Informationen finden Sie hier: https://www.wohngeld.org/antrag/ 

Auch für den barrierefreien Umbau einer Wohnung können Sie Geld beantragen. Zum Beispiel für breitere Türen, einen Aufzug, eine Dusche oder eine Lichtklingel. Die Anträge finden Sie auf der Internet-Seite Ihrer Stadt oder Ihres Kreises. 

Sie können bei Ihrem Landschaftsverband ein Persönliches Budget / Eingliederungshilfe beantragen. Mit diesem Geld können Sie Ihre Assistenz(en) bezahlen. Weitere Gelder kann es für Geräte und Maßnahmen geben, die den Alltag erleichtern, wie zum Beispiel Rampen oder Treppenlifte. 

Die Kranken- und Pflegekassen bieten teilweise eine Anschub-Finanzierung für Wohngemeinschaften an. Auch hier geht es um eventuell notwendige Umbaumaßnahmen. 

Darüber hinaus können Sie Gelder bei Stiftungen beantragen, in deren Zweck zum Beispiel „selbstbestimmtes Wohnen für Menschen mit Behinderung“ steht.

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