Das wir gewinnt

Vorurteile? Ich doch nicht!

Warenkorb (0)
Typisch: Wir alle haben feste Vorstellungen im Kopf, was uns erwartet. Und gerade Bilder helfen uns dabei, unsere Welt blitzschnell zu ordnen. Das schafft einerseits Gewissheit, aber wie man sich andererseits doch irren kann. Lasst euch überraschen – und sei es auf den zweiten Blick!

 „ICH habe keine Vorurteile“ – denken die meisten von sich. Studien dazu sagen das Gegenteil: Sie belegen, dass Vorurteile ein wesentlicher Bestandteil des menschlichen Denkens sind. Aber warum glauben wir, dass Arbeitslose faul, Banker geldgierig und Politiker korrupt sind? Warum gibt es Vorurteile überhaupt? Und wie entstehen sie?

Als Pionier der Vorurteilsforschung gilt der US-Psychologe Gordon Allport. Er fand heraus, dass Vorurteile schon in jedem von uns verankert sind, weil Menschen dazu neigen, ihre Wahrnehmung zu vereinfachen. Diese Vereinfachung ist Teil der menschlichen Evolution: Schon Steinzeit-Menschen mussten Situationen schnell bewerten können. Sie waren darauf angewiesen zu erkennen, ob Gefahr drohte oder nicht. Nur so konnten sie überleben. 


Wir machen's uns leicht

Auch haben wir noch dieses Bedürfnis nach schneller Orientierung. Deshalb ordnen wir alles um uns herum, inklusive unserer Mitmenschen, in Kategorien ein. Diesen werden dann typische Eigenschaften zugeschrieben. Und fertig ist der Stereotyp. Wir streben nach Gewissheit – und wenn wir uns einmal eine Meinung gebildet haben, halten wir an ihr fest und ordnen die Welt in Gut und Böse, stellten Psychologen in neusten Studien fest. Dieses Denken verstärkt sich noch, weil viele in unserem immer komplizierteren Leben einfache Antworten suchen. Darum halten wir etwas für normal oder für abseits der Norm, also anders.

Schnell zu urteilen hat also Gründe, die tief in der Psyche des Menschen verankert sind. Oft liegen wir dabei mit unseren – auch vorschnellen – Urteilen falsch, weil sich unser Gehirn austricksen lässt. Verhaltensforscher an der Northwestern University in Illinois steckten Test-Personen in Arztkittel. Diese wurden dann für intelligenter und kompetenter gehalten, als andere, die keinen Kittel trugen. Es gibt aber auch umgekehrte Beispiele. So wurden Frauen in knappen Kleidern für weniger verantwortungsvoll und führungsfähig gehalten.

Dies zeigt die Gefahr, die in Blitz-Urteilen liegt: Ohne Menschen oder Situationen genauer beurteilen zu können, haben wir eine Meinung über sie. Gleichzeitig neigen wir dazu, Informationen so auszuwählen, dass sie die eigenen Erwartungen erfüllen. Natalie Wyer, britische Psychologin der University of Plymouth, wies das 2010 mit folgender Studie nach: Ihren Versuchspersonen zeigte sie das Foto eines jungen, kahlköpfigen Mannes. Dieser wurde ihnen entweder als Krebspatient oder als Skinhead vorgestellt. Die Probanden schätzten den Mann erwartungsgemäß als feindseliger ein, wenn sie ihn für einen Skinhead hielten.

Die Macht der Bilder

Gerade, weil wir unsere Umgebung über unsere Sinne und besonders die Augen wahrnehmen, lassen wir uns durch Bilder leicht irreführen. Jeder kennt optische Täuschungen, die unserem Gehirn einen Streich spielen. Und obwohl wir wissen, es handelt sich um eine optische Täuschung, fällt es uns schwer, sich nicht überlisten zu lassen. Wir sehen zum Beispiel zwei gleich lange Linien, von denen eine länger als die andere erscheint – je nachdem in welche Richtung die Pfeilspitze am Ende der Linie zeigt. Oder das Bild, das einerseits wie eine Vase aussieht, andererseits zwei Gesichter darstellt, die sich anblicken.

Es wird deutich: Durch nichts lassen wir uns schneller manipulieren als durch Bilder. Fotos und Filme bestimmen unseren Alltag. Oft vorschnell nehmen wir die visuellen Eindrücke auf und vergessen dabei: Was wir in den Medien oder den sozialen Netzwerken sehen, ist nur ein Teil der Wirklichkeit.

Abseits der Norm?

Basierend auf unseren Erfahrungen vereinfachen und verallgemeinern wir also – oder besser unser Gehirn. Auch orientieren wir uns daran, was wir gewohnt sind bzw. was in unserer Gemeinschaft oder Kultur als „die Norm“ angesehen wird. Ein Blick in die Modebranche verdeutlicht das: Dort laufen in den meisten Modeshows junge Frauen mit Kleidergröße 34 über den Laufsteg. Modemacher und Medien gaukeln uns vor, 90-60-90 sei die Norm für Schönheit. Dabei haben Frauen doch völlig unterschiedliche Körpermaße. 

Aber ist das Schubladendenken fest betoniert? Oder lässt sich nicht doch an der Perspektive drehen und das Verallgemeinernde abschütteln? Modeshows mit ungewöhnlichen Models sind ein erster Schritt. Was denkst du?!

Die wichtigste Voraussetzung für den Abbau von Vorurteilen ist der Kontakt mit der Fremdgruppe.

Der Kampf gegen die eigenen Vorurteile ist schwer. Sie stecken nicht nur in unserer Psyche, sondern werden außerdem noch durch äußere Einflüsse wie Eltern, Freunde oder Medien verstärkt. Was können wir also dagegen machen? Wie können wir die Mauer in unseren Köpfen durchbrechen? Psychologen der Universität Gent haben in einer Feldstudie festgestellt, dass persönlicher Kontakt zwischen verschiedenen Gruppen Vorurteile abbauen kann: Bei einer einwöchigen Klassenfahrt nach Marokko lernten belgische Schüler die dortige Lebensweise kennen, die prägend für nordafrikanische Einwanderer ist. Danach zeigten sie mehr Verständnis für sie.

Der Schlüssel, um von Vorurteilen wegzukommen, ist also Kontakt zu anderen und das daraus folgende Wissen – in einem Wort: Offenheit. Denn nur wenn man bereit ist Neues aufzunehmen, ohne es gleich wieder in eine Schublade zu stecken, kann man anderen unbefangen gegenübertreten. Schon der englische Humanist Thomas Morus sagte: „Es kommt niemals ein Pilger nach Hause, ohne ein Vorurteil weniger – und eine neue Idee mehr.“ In diesem Sinne ist Neugier der beste Weg um Vorurteile weg- und Toleranz hinzubekommen.