Aus der Werkstatt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt
Fester Arbeitsvertrag
Es ist noch gar nicht lange her, dass Kim Anna Lutz in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung im Bereich Verpackung und Montage gearbeitet hat. Heute hat sie einen festen Arbeitsvertrag auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Dass dieser Übergang gelungen ist, ist bislang eine große Ausnahme. In Niedersachsen schaffen bisher durchschnittlich nur 0,34 Prozent der Werkstattmitarbeitenden diesen Schritt.
Praxisorientierter Lehrgang in Leichter Sprache
So funktioniert das Projekt „Inklusion in Kita-Teams“: Das Team des Paritätischen knüpfte zunächst Kontakte zu Werkstätten an den beteiligten Standorten Hameln/Stadthagen, Braunschweig, Göttingen und Hannover sowie zu Kitas in der Region. Es galt zu klären, welche Werkstattmitarbeiter*innen infrage kommen könnten und welche Kindertageseinrichtungen Interesse an inklusiver personeller Unterstützung haben. Gleichzeitig wurde in Zusammenarbeit mit der Akademie für Rehaberufe des Lebenshilfe Landesverbandes Niedersachsen ein praxisorientierter Qualifizierungslehrgang in Leichter Sprache für die künftigen Teilnehmer*innen konzipiert. Den Lehrgang mit pädagogischen Inhalten absolvieren die Teilnehmerinnen parallel zur Arbeit in der Kita. Schließlich wurden noch weitere wichtige Akteure wie Vertreter*innen von Ministerien, Integrationsfachdiensten und Eingliederungshilfen beratend mit ins Boot geholt.
Durch das Projekt erleben Kinder Inklusion selbstverständlich von klein auf. Gleichzeitig werden die Fachkräfte in den Kitas unterstützt. Das Projekt zeigt, dass Inklusion in Kitas mit der richtigen Unterstützung und Begleitung möglich ist.
Lohnkostenzuschuss durch das Budget für Arbeit
„Dann konnte der Matching-Prozess beginnen“, sagt Projektleiterin Melanie Scholz vom Paritätischen. „Wir müssen sorgfältig prüfen: Welche Aufgaben gibt es in der Kita, welche Interessen und Fähigkeiten bringen die Teilnehmenden mit, und wie passt das zusammen?“ Um zu sehen, ob Kita und Werkstattmitarbeiter*innen zusammenpassen, schnuppern die Teilnehmer*innen zunächst im Rahmen von Hospitationen in den Kita-Alltag hinein. Läuft das gut, schließt sich ein Praktikum an. Der nächste und letzte Schritt ist dann eine feste Beschäftigung im Rahmen des Budgets für Arbeit . Dieses bietet Arbeitgeber*innen einen Lohnkostenzuschuss, wenn sie Werkstattmitarbeiter*innen einstellen. Durch das Budget können bis zu 75 Prozent des Gehalts von einem Träger der Eingliederungshilfe übernommen werden. Sollte es doch einmal nicht dauerhaft mit der Zusammenarbeit klappen, haben die Mitarbeiter*innen jederzeit die Möglichkeit, in die Werkstatt zurückzukehren.
Durch die Arbeit in der Kita habe ich gemerkt: Ich kann mehr, als ich vorher gedacht habe und bin viel selbstbewusster geworden. Ich möchte weiter lernen, mich weiterentwickeln und zeigen, dass Inklusion ganz normal ist.
Teilnehmende blühen auf
Kim Anna Lutz hat all diese Schritte durchlaufen und bereut es nicht – im Gegenteil: „Mir gefällt es sehr gut. Ich lerne viel mit den Kindern, und die Kinder lernen auch viel von mir“, sagt sie. Die Werkstatt vermisst sie nicht, dort hatte sie sich zuletzt unterfordert gefühlt. Mit den ehemaligen Kolleg*innen hält sie aber weiterhin freundschaftlich Kontakt. „Ich freue mich einfach, dass ich hier im Kindergarten eine tolle Zukunft habe und dass ich den Schritt geschafft habe. Früher war ich viel schüchterner und habe mir nicht so viel zugetraut. Das ist jetzt ganz anders geworden. Alle, denen ich davon erzähle, sind begeistert, dass ich das geschafft habe.“
Mittlerweile läuft schon der zweite Qualifizierungsdurchgang im Projekt „Inklusion in Kita-Teams“. Die bisherigen Ergebnisse bezeichnet Melanie Scholz vom Paritätischen als sehr ermutigend. „Viele Teilnehmer*innen blühen richtig auf – durch die Verantwortung, die Teamarbeit und den Kontakt zu den Kindern. Der Weg durch die Qualifizierung stärkt ihr Selbstbewusstsein enorm, und den ersten eigenen Arbeitsvertrag in der Hand zu halten, ist ein großes Erfolgserlebnis. Auch von den Kitas hören wir, wie sehr die Teams von dieser neuen Form der Zusammenarbeit profitieren. Die Kita-Assistenzen bringen Leichtigkeit und Authentizität in den Alltag.“
Mein Wunsch ist, dass dieses Modell Schule macht und dass noch viele Einrichtungen den Mut haben, inklusiv zu denken und Menschen mit Beeinträchtigung in den regulären Arbeitsmarkt zu integrieren. Dabei ist es wichtig, dass es eine Koordinationsstelle gibt, die so etwas anschiebt, moderiert und Qualifizierung anbietet.
Mehr Inklusion im Arbeitsalltag
Dass es beim Paritätischen eine Koordinationsstelle zwischen Werkstätten, Kitas und anderen beteiligten Akteuren gibt, hat sicherlich wesentlich zum bisherigen Erfolg des Projekts beigetragen. Nach Projektabschluss wird der Paritätische die Ergebnisse veröffentlichen und für andere nutzbar machen. „Wir sind zudem im Gespräch mit politischen Entscheidungsträger*innen auf Landesebene. Unser Ziel ist es, dass die Idee langfristig und strukturell in der frühkindlichen Bildung verankert wird“, so Melanie Scholz. So könnten künftig noch mehr Kitas und Werkstattmitarbeitende von mehr Inklusion im Arbeitsalltag profitieren.