Das wir gewinnt

Bundesteilhabegesetz: Stolperstein Teilhabeplanung?

Die im Bundesteilhabegesetz verankerte Gesamt- beziehungsweise Teilhabeplanung soll Prozesse vereinfachen. Genauer soll sie dafür sorgen, dass Antragsteller*innen, die verschiedene Leistungen von einem oder mehreren Trägern benötigen, diese mit nur einem Antrag erhalten. Eine gute Idee. Aber erste Erfahrungen zeigen, dass es noch Verbesserungsbedarf gibt.

Gesamt- und Teilhabeplanung: Neues Verfahren mit großer Bedeutung

Wenn es um den Kontakt mit Behörden geht, haben viele Menschen mit Behinderung Ängste, etwas Falsches zu sagen oder nicht die benötigten Unterlagen zu finden. Schließlich hängen davon für sie oft wichtige Entscheidungen ab. Das gilt ganz besonders für die mit dem Bundesteilhabegesetz eingeführte Gesamt- beziehungsweise Teilhabeplanung. Denn mit diesem Verfahren soll seit einiger Zeit ermittelt werden, welche Leistungen Menschen mit Behinderung für ihre Unterstützung bewilligt und welche Teilhabemöglichkeiten ihnen dadurch ermöglicht werden.

Ottmar Miles-Paul

Ottmar Miles-Paul engagiert sich seit Mitte der 1980er-Jahre für die Selbstbestimmung und Selbstvertretung von Menschen mit Behinderung sowie für Inklusion und Barrierefreiheit. Der in Kassel lebende, seh- und hörbehinderte Sozialarbeiter und Publizist hat sich mit vielen anderen in den Gesetzgebungsprozess zum Bundesteilhabegesetz eingemischt. Derzeit koordiniert er unter anderem ein Projekt des NETZWERK ARTIKEL 3 zur Partizipation behinderter Menschen bei der Umsetzung und Weiterentwicklung des Bundesteilhabegesetzes und wirkt in vielen Beiräten und Gremien dazu mit.
Mann mit vielen Denkblasen, die Fragezeichen zeigen
Probleme bei der Bedarfsermittlung: Die Fragebögen sind noch immer nicht barrierefrei und variieren von Bundesland zu Bundesland, sodass ein Austausch der Betroffenen erschwert wird. Bei der Entwicklung der Fragebögen wurden Betroffene kaum beteiligt.

Teilhabeplanung: EUTB unterstützt Menschen mit Behinderung

Gute Schulungen für diejenigen, die die Bedarfe ermitteln, werden also auch zukünftig nötig sein – aber hoffentlich dann mit Beteiligung behinderter Menschen, die ihre Erfahrungen einbringen können. Wichtig ist aber auch, dass Menschen mit Behinderung Unterstützung bekommen, um sich gut auf die Gespräche vorbereiten zu können. Hier können einerseits beispielsweise die Berater*innen der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) eine wichtige Rolle spielen. Die über 500 im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes geförderten Beratungsstellen können wichtige Tipps geben. Sie können den Betroffenen im Vorfeld der Bedarfsermittlung helfen, ihren genauen Unterstützungsbedarf herauszufinden. So können sie besser vorbereitet in die Bedarfsermittlung gehen. Menschen mit Behinderung können auch eine Person, der sie vertrauen, zur Unterstützung in die Bedarfsermittlung und Teilhabekonferenz mitnehmen. Die Antragsteller*innen können dabei selbst entscheiden, wer das sein soll. Das kann ein Familienangehöriger, Berater*in, Freund*in, gesetzliche Betreuer*in oder Dienstleistungserbringer*in sein.

Es gilt also, Vertrauen zu schaffen, – denn das ist der Kitt für eine gute Gesamt- beziehungsweise Teilhabeplanung. Und es ist die Grundlage für das Gefühl, dass man nicht mit Gegnern, sondern mit Freunden an einem Tisch sitzt. 

Das könnte Sie auch interessieren

Stapeln von Mappen liegen nebeneinander
Logo Deutschlandfunk Partnerbeitrag

Rechtsberatung: Der Hürdenlauf zu Sozialleistungen

Wenn Behörden einen Antrag ablehnen, können Betroffene Widerspruch einlegen. Viele dieser Fälle landen vor dem Sozialgericht und gehen oft zugunsten der Kläger aus. Der Bedarf an Beratung zum Sozialrecht ist deshalb anhaltend hoch und steigt von Jahr zu Jahr.
Eine lächelnde junge Frau mit blondem Pony

„Die politische Kraft der EUTB nutzen“ 

Vor zehn Jahren hätte sich Charlotte Zach eine Peer-Beraterin gewünscht – heute ist sie selbst eine und arbeitet in der Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) in Hildesheim. Ein Beitrag über die politische Wirkkraft der EUTB.
Ein Mann mit Beatmungsschlauch im Rollstuhl schaut lächelnd zu einem Jungen

Meilensteine der Behindertenrechtsbewegung

Lange galt Behinderung als „Problem" des Einzelnen. Heute liegt der Fokus mehr auf den Barrieren, die eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verhindern. Unser historischer Abriss beleuchtet den Paradigmenwechsel und zeigt die Meilensteine der Behindertenbewegung.