Das wir gewinnt

"Nichts bleibt wie es war. Sonst wäre es auch unangenehm."

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Benjamin Adrion war Fußballspieler beim FC St. Pauli. Dann hatte er eine Idee: Menschen weltweit helfen – mit sauberem Wasser. "Viva con Agua" (VcA) heißt sein Verein, dessen Flaggen auch diesen Sommer wieder auf den Festivals wehen. Für seine Vision mobilisiert Benjamin nämlich auch Musiker wie Clueso und Gentleman. Damit niemand mehr Durst haben muss.
Inszeniertes Foto einer Gruppe junger Männer am Strand mit Wasserkanistern und Megafon in der Hand.
Von Hamburg in die Welt: Benjamin Adrion war früher Fußball-Profi des FC St. Pauli, heute engagiert er sich mit einem eigenen Verein. Viva con Agua setzt sich dafür ein, Menschen in Entwicklungsländern Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitären Anlagen zu ermöglichen.
Schwarz-weiß Porträt von Benny. Er lacht herzlich.
Im Wasserauftrag unterwegs: Benjamin Adrion

JAM!: Hallo Benny, sauberes Trinkwasser für alle. Die Idee kam dir, als du als Spieler des FC St. Pauli in einem Trainingslager in Kuba warst. Dort hast du gesehen, wie in Kitas Trinkwasser erst abgekocht werden musste. Hat sich in diesem Moment deine Perspektive geändert?

Benny: Nein, es war der auslösende Moment, in dem viele Dinge zusammen gekommen sind, vor allem Möglichkeiten. Als Fußballer von St. Pauli hatte ich außergewöhnlich gute Voraussetzungen mich sozial zu engagieren und etwas zu verändern. Da waren die Fans, der Verein und meine Mannschaftskameraden, die Medien – also ein lebendiges Netzwerk mit viel Potenzial. Diese Gelegenheit habe ich genutzt, um Menschen für die meine Idee zu begeistern, die Motivation hatte ich aber schon vorher.

Was hat dich motiviert?

Schon als Jugendlicher hatte ich das Gefühl, dass etwas in der Konstruktion der Welt der Erwachsenen nicht stimmt. Manchen Menschen geht es total gut, und anderen geht es total schlecht – auf ein und derselben Welt! Das ist doch unnatürlich, dagegen muss doch mal etwas getan werden.

Vom Profifußballer zum Wasserstifter: War es für dich ein harter Break den Fußball an den Nagel zu hängen?

Nein, es war ein entspannter Prozess. Ich bin ja auch anfangs in die Sache eher hineingepurzelt. In meinem letzten Jahr bei St. Pauli habe ich mich dann mehr und mehr mit Viva con Agua beschäftigt, Ideen entwickelt und die ersten Reisen nach Afrika unternommen.

Was hat dich angetrieben?

Na, der Erfolg und die Unterstützung von allen Seiten: von meiner Freundin, Freunden von früher, vom Verein und anderen, die sich motiviert fühlten mitzumachen und uns zu unterstützen. Das war unsere Anfangsidee – eine Plattform zu schaffen, bei der alle mitmachen können.

Welche Fähigkeiten hast du als Fußballer trainiert, die dir jetzt nützlich sind?

Der Teamgedanke! Im Team kann man viel mehr sein, als die Summe der Einzelteile. Um erfolgreich zu sein, braucht man ein Team.

Für Viva con Agua bist du nicht nur in Deutschland unterwegs, sondern auch in Ländern wie Uganda und Äthiopien: Wie sieht eure Arbeit dort aus?

Wir setzen dort sogenannte "WASH"-Projekte rund um Brunnenbau oder Regenauffangsysteme um. Das ist aber nur ein Teil. In erster Linie geht es uns darum, so zu helfen, dass Selbstheilungskräfte und Potenziale verstärkt werden, damit dort Veränderung passiert. Wir holen vor Ort Studenten, Unternehmen, Künstler, Sprayer und Musiker mit ins Boot und verbinden sie miteinander. Künstler sind ohnehin wichtige Multiplikatoren für uns. Gentlemen, Fettes Brot und Co. sensibilisieren ihre Fans für das Thema und wir erreichen die Leute auf ganz unbeschwerte Weise. Wir sind eben eine internationale Community, die etwas verändern will.

Wie ist es, wenn du aus Afrika zurück nach Deutschland kommst und du den Wasserhahn aufdrehen kannst?

Es schärft die Sinne und meinen Blick auf das große Ganze. Ohne Wasser würde ich bald sterben – und das habe ich noch nicht vor. Und ich habe auch nicht vor, durch dreckiges Wasser krank zu werden. Wir sollten bewusst mit unseren Ressourcen umgehen und achten, was wir konsumieren. Dabei geht es um mehr als das Wasser aus dem Hahn. Man kann auch virtuelles Wasser , also das zur Produktion verwendet wird, sparen: in der Herstellung von Kleidung oder Fleisch beispielsweise wird oft viel zu viel verbraucht. Wir haben uns so an sauberes Wasser gewöhnt, nehmen es als selbstverständlich an. Das ist aber nicht überall auf der Welt so.

Was war für dich die größte Veränderung in den letzten Jahren?

2010 war ein fettes und vor allem veränderungsreiches Jahr, da wurde nicht nur mein Sohn geboren, sondern wir haben auch die erste Flasche unseres eigenen Wassers verkauft. Jetzt steht die nächste Veränderung an, indem wir Viva con Agua weiter international aufbauen wollen.

Magst du Veränderungen?

Ich liebe Veränderungen! Nie wieder werde ich der sein, der ich noch vor ein paar Augenblicken war. Das Leben ist ein einziger Veränderungsprozess, nichts bleibt, wie es war. Alles andere wäre auch sehr unangenehm. Veränderung hat ein großes Potenzial und ist ein Geschenk, das Beste daraus zu machen.

Festivalstimmung: Die VcA-Fahne weht über den Köpfen der feierenden Menge und ist in Sonnenlicht getaucht.
Festivalstimmung - natürlich ist die Viva con Agua-Fahne beim Feiern dabei.

Viva con Agua: Festivalbecher für sauberes Wasser

Der Verein Viva con Agua hat viele Gesichter. Dahinter steckt ein Supporter-Netzwerk aus 9.000 Ehrenamtlichen, die ganz unterschiedliche Aktionen durchziehen. Die bekannteste ist wohl die Präsenz auf Musikfestivals: Coole Becherjäger sind seit zehn Jahren für den guten Zweck unterwegs. Auch mit Kampagnen, eigenen Events oder der Wasser-Hausmarke "Viva con Agua" werden Einnahmen für die Vision „Wasser für alle“ generiert. Die Aktionen haben bereits über 500.000 Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitären Anlagen gebracht.

Die Arbeit von Initiativen wie Viva con Agua lohnt sich. In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Menschen, die keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, um 25 Prozent verringert. Doch es gibt genug zu tun: Für 768 Millionen Menschen ist sauberes Wasser nach wie vor keine Selbstverständlichkeit.

Viva con Agua

Text: Anja Schimanke