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Praxisbeispiel: Individualisierung mit der digitalen Tipp-Theke Taskcards

von Lea Schulz

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Digitale Medien können zu einem höheren Grad der Individualisierung des Unterrichts beitragen. Dies kann durch verschiedene Zugangsmöglichkeiten erreicht werden, wie Audio, Text, Video, Virtual Reality oder durch adaptive Lernprogramme, die sich an die Voraussetzungen der Schüler*innen anpassen. Oder durch Möglichkeiten der Differenzierung und verbesserten Visualisierung oder Darstellung von (meta-)kognitiven Strategien (z.B. eine digitale Zeiteinteilung). 

In diesem Beispiel wird die Individualisierung von Lerninhalten am Beispiel einer digitalen Tipp-Theke erläutert.
Ein Junge scannt mit einem Tablet einen QR-Code ein.

Die wichtigsten Infos auf einen Blick

Thema

Individualisierung mit der Software Taskcards am Themen-Beispiel: „Fabeln“ im Deutschunterricht.

Lerngruppe

Arbeitsgruppe: Ida, Kianusch, Sara (mit und ohne Förderbedarf)
Klassenstufe: 6. Klasse
Schulform: Inklusive Grundschule
Fach: Deutschunterricht

Benötigte Ausstattung

  • Gerät, um einen Link zur Tipp-Theke aufrufen zu können (Computer, Smartphone, Tablet)
  • Ggf. einen QR-Code vom Link, wenn über mobile Endgeräte auf den Link zugegriffen werden soll
  • Alternativ wäre es möglich, den Link auf einer Lernplattform einzustellen. 

Ausführliche Beschreibung

Zielsetzung

Damit die Schüler*innen innerhalb einer Unterrichtseinheit möglichst selbstständig arbeiten können, ist es sinnvoll, ihnen bereits zu Beginn verschiedene Hilfestellungen zur Verfügung zu stellen. Eine Möglichkeit, um Inhalte zusammenzustellen, die ggf. innerhalb des Lernprozesses von Bedeutung sein können, ist eine digitale Tipp-Theke. Dafür bietet sich die Software „Taskcards“ an. Darauf können die Schüler*innen während der gesamten Unterrichtseinheit auch außerhalb des Schulgebäudes zugreifen. 
In der Tipp-Theke sind keine Aufgabenstellungen enthalten, es dient als eine reine Sammlung mit Unterstützungshilfen. 

Lerngruppe

In diesem Beispiel sind die Schüler*innen in der sechsten Klasse (das Beispiel lässt sich jedoch auf alle Stufen und Fächer übertragen). Exemplarisch werden an dieser Stelle drei Schüler*innen vorgestellt: Ida kann bereits gute verständliche Geschichten und Texte schreiben, hat jedoch massive Schwierigkeiten in der Rechtschreibung. Kianusch weiß, wie eine Fabel aufgebaut ist, ihm fällt es jedoch schwer, Ideen für eigene Texte zu entwickeln. Sara arbeitet gerade am Thema „Moral" und benötigt an dieser Stelle zusätzliche Hilfe.

Didaktische und methodische Entscheidungen

Einsatzmöglichkeiten der digitalen Tipp-Theke

Die Tipp-Theke wird nicht gezielt mit Aufgaben bestückt. Sie dient ausschließlich dazu, dass die Schüler*innen hier fachspezifische Inhalte der Unterrichtseinheit nachlesen können. In der ersten Spalte ist zudem ein „Help-Desk" hinterlegt, das mit dem Tool „Oncoo“ erstellt wurde. Hier können die Schüler*innen Fragestellungen aufschreiben, die durch die Tipp-Theke nicht gelöst werden konnten. Die Fragen werden anonym gestellt und können bspw. ritualisiert zu Beginn einer Stunde mit allen Schüler*innen geklärt werden.

Vorteile der digitalen Tipp-Theke

  • Ein Vorteil ist, dass die Schüler*innen lernen, sich an einem Ort selbstständig Hilfe bei den Aufgaben zu organisieren. Damit wird die Selbstständigkeit und gleichzeitig das Selbstwirksamkeitserleben gesteigert. Dennoch ist es notwendig die gestellte Hilfestellung einzuführen und die Verwendung der Hilfen im Klassenkontext zu reflektieren, damit die Schüler*innen sich untereinander Tipps geben und Ideen einholen können, wie sie die digitale Tipp-Theke noch effizienter einsetzen können. 
  • Die digitale Tipp-Theke kann zeit- und ortsunabhängig verwendet werden.
  • Bei der Tipp-Theke gibt es zudem verschiedene Darstellungsmöglichkeiten, sodass sowohl Sprachaufnahmen der Lehrkraft als auch Erklärvideos, Text oder Webseiten miteinander kombiniert und eingebunden werden können. So können etwaige Barrieren im Zugang beseitigt werden, indem die Lehrkraft z.B. zu jedem Bild eine Bildbeschreibung per Audio einspricht. 

Verwendung von Hilfen

Zu Beginn des Einsatzes einer digitalen Tipp-Theke wird vermutlich zu beobachten sein, dass besonders die guten Lernenden auf die Hilfen zugreifen. Schüler*innen, die es besonders schwer beim Lernen haben, tun dies zunächst nicht. 
Dies ist ein bekannter Effekt: gute Lernende verwenden automatisch Lernstrategien, während Schüler*innen mit Schwierigkeiten nicht oder weniger auf Lernstrategien zurückgreifen. Aus diesem Grund ist es notwendig, die Hilfe einzuführen, ggf. auch einen Ablaufplan für Hilfen zu erstellen. 

Zum Beispiel:
  • Zuerst wird in der Tipp-Theke nachgesehen 
  • Wenn das nicht hilft, kann man die Mitschüler*innen fragen 
  • Falls das nicht erfolgreich ist, wird eine Frage im Help-Desk hinterlegt

Zudem ist die oben erwähnte Reflexion entscheidend, um von anderen Lernenden zu lernen, die Hilfe zu verwenden.
Die Schüler*innen lernen durch diese Zusammenstellung zudem die Nutzung von Hilfen. Sie werden angeleitet, die Rechtschreibung zu prüfen, Suchmaschinen zu verwenden, Online-Synonyme-Lexika zu verwenden oder gezielte Fragestellungen im Help-Desk zu formulieren.

Zugang und Einstellungen

Neben der Bereitstellung der Tipp-Theke sollte ebenfalls über den Zugriff zu der Seite nachgedacht werden. Bei Verwendung eines Lernmanagement-Systems (z.B. Moodle, Itslearning, iServ) kann die Webseite in den Deutsch-Kurs eingebunden oder als Link hinterlegt werden. Eine weitere Möglichkeit ist, einen QR-Code an einer präsenten Stelle im Klassenzimmer auszuhängen oder auf den Tisch bzw. in den Deutschordner zu kleben. Zudem sollte vorher überlegt werden, ob die Schüler*innen selbstständig zu der Tipp-Theke Tipps und Tricks hinzufügen dürfen oder ob sie nur eine lesende Ansicht erhalten. Die jeweiligen Zugriffsrechte sollten bei Taskcards unter „Pinnwand teilen" dann entsprechend eingestellt werden. 

Empfehlung

Es ist möglich, Tipp-Theken gemeinsam mit Kolleg*innen zu erstellen, die alle gleichzeitig Schreibrechte haben und Tipps hinzufügen können. So können sich Lehrkräfte die Arbeit teilen und gewinnen Zeit. Alternativ kann man eine gemeinsame Tipp-Theke erstellen und für jede Klasse kopieren, um sie individuell auf die jeweiligen Schüler*innen anzupassen.

Nutzen der Tipp-Theke in der individuellen Arbeitsphase

Allen Schüler*innen steht die Tipp-Theke zum Thema Fabeln zur Verfügung. Die Schüler*innen arbeiten anhand eines Wochenplans, in dem sowohl kollaborative als auch individuelle Aufgabenstellungen zu erledigen sind. Die Aufgaben des Wochenplans stehen auf Papier zur Verfügung. Auf dem Papier ist ebenfalls der QR-Code abgebildet, der zur Tipp-Theke zur Unterrichtseinheit „Fabeln" in Taskcards führt. 

Software "Taskcards"
Alles Wissenswerte zur genutzten Software "Taskcards" finden Sie auf der Taskcards-Internetseite.
Abbildung einer Tipptheke.
  • Ida hat am Vortag eine Fabel geschrieben, die sie nun überarbeiten möchte. Sie holt sich Hilfe in der Tipp-Theke in der Spalte 8 („Eine Fabel verbessern") und folgt den Anweisungen. Sie liest zunächst die Fabel erneut und macht sich Anmerkungen am Rand. Im Anschluss überprüft sie die Rechtschreibung einzelner Wörter, bei denen sie sich nicht sicher ist auf der Webseite von z.B. Duden. Selbstverständlich hätte Ida ebenfalls die Rechtschreibüberprüfung eines Textverarbeitungsprogramms wie bspw. Word verwenden können. Sie hat sich jedoch für diese analog-digitale Variante entschieden. 
  • Kianusch möchte heute eine Struktur für seine Fabel erstellen. Einige Ideen hat er schon notiert. Er wird unterstützt durch die Spalte 6 („Eine Idee für eine Fabel entwickeln"). Den ersten Schritt hat er bereits erledigt (Tiere auswählen), der zweite Link zu den Eigenschaften der Tiere hilft ihm jedoch weiter, um einen Streit zwischen den Tieren entstehen zu lassen. 
  • Sara hat die erste Struktur für eine Fabel bereits zusammengestellt. Sie hat viele Ideen und hat diese auch schon in eine Reihenfolge gebracht. Nur die Moral einer Fabel hat sie inhaltlich noch nicht ganz verstanden. Sie holt sich Hilfe in der Spalte 5 („Was bedeutet denn „Moral"?"). Sie liest sich zunächst die Erklärungen durch und bearbeitet dann die Übungen. Dennoch fällt es ihr schwer, dies auf ihre eigene Geschichte zu übertragen. Sie hinterlässt im Help-Desk die Frage: „Habt ihr eine Idee für eine Moral zu meiner Geschichte?" Am nächsten Tag stellt sie der Klasse im Gesprächskreis ihre ersten Ideen vor. Alle Schüler*innen der Klasse sammeln gemeinsam Ideen für eine Moral, die zu Saras Geschichte passen könnte.

Vorbereitung

Sie als Lehrkraft planen die gesamte Unterrichtseinheit. Während der Planung sollten folgende Überlegungen stattfinden: 

  • Welche Stolpersteine gibt es? 
  • Was könnten ggf. Inhalte sein, die die Schüler*innen nochmals nachsehen wollen?
  • Bei welchen Aufgabenstellungen sind spezifische inhaltliche Unterstützungen notwendig? 
  • Welche Tätigkeiten (z.B. das Schreiben einer Fabel) werden während der Einheit durchgeführt, die ggf. besondere strukturelle Unterstützung brauchen? 

Alle inhaltlichen Hilfestellungen werden dann in Spalten in „Taskcards" eingefügt. Es ist sinnvoll, diese Spalten zu nummerieren. So erhalten die Schüler*innen während der Bearbeitung etwaiger Aufgabenstellungen innerhalb der Unterrichtseinheit einen Vermerk, in welcher Spalte sie nachsehen können, wenn sie Hilfe benötigen. Die Aufgaben der Unterrichtseinheit selbst finden sich nicht in Taskcards.

Andere Anwendungsmöglichkeiten

Die digitale Tipp-Theke lässt sich auf alle Klassenstufen und Fächer übertragen. Die Tipp-Theke sollte vom Anspruch her immer an die Voraussetzungen der Lerngruppe angepasst werden. Beispielsweise müssen Texte mit mehr Audioformaten ersetzt werden, wenn (einige) Lernende noch Schwierigkeiten im sinnverstehenden Lesen aufweisen.

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