Frauen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt
Frauen mit Schwerbehinderung sind auf dem Arbeitsmarkt von doppelter Diskriminierung betroffen: Sie bilden das Schlusslicht bei Lohn sowie Vollzeit- und Führungspositionen und sind durch Haushalts- und Familienaufgaben besonders belastet. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Studie, die die Aktion Mensch veröffentlicht hat. Grundlage der Erhebung ist ein erstmaliger systematischer Vergleich der Erwerbssituation von Frauen mit und ohne Schwerbehinderung sowie den entsprechenden männlichen Bevölkerungsgruppen.
Gender und Behinderung haben einen wesentlichen Einfluss auf die Chancen am Arbeitsmarkt in Deutschland. „Für viele Frauen mit Behinderung äußert sich die derzeitige Situation als ein Kampf um das berufliche Überleben – um sich im Arbeitsleben zu behaupten, müssen sie einer gleich zweifachen strukturellen Benachteiligung entgegentreten“, erklärt Christina Marx, Sprecherin der Aktion Mensch.
Großes Lohngefälle zwischen Frauen und Männern mit Behinderung
Der Studie zufolge erhalten Frauen mit Behinderung für ihre berufliche Tätigkeit im Gruppenvergleich die niedrigste Entlohnung – auch in der Einkommenskategorie unter 1.000 Euro netto sind sie mit fast einem Drittel am häufigsten vertreten. Dabei zeigt sich auch unter den Arbeitnehmer*innen mit Behinderung ein eindeutiges geschlechtsspezifisches Lohngefälle: Im Durchschnitt verdienen weibliche Erwerbstätige mit Behinderung 667 Euro netto weniger pro Monat als ihre männlichen Pendants.
Teilzeittätigkeiten und Care-Arbeit laut Studie oft Frauensache
Zudem fühlen sich Frauen mit Behinderung so sehr wie keine andere Gruppe von Aufstieg, Führung und freier beruflicher Gestaltung ausgeschlossen. Gerade einmal jede Zehnte – der niedrigste Wert im Gruppenvergleich – arbeitet in einer leitenden Position. Und das obwohl sie stärker motiviert sind, in ihrer Karriere voranzukommen, als Männer mit Behinderung und ähnlich stark wie Frauen und Männer ohne Behinderung.
Im Vergleich zu Männern arbeiten Frauen der Studie nach deutlich häufiger in Teilzeit. Dies gilt besonders für Frauen mit Behinderung: 37 Prozent haben ein Teilzeitstelle – die höchste Zahl unter allen befragten Gruppen. Auch sind die weiblichen Erwerbstätigen mit Behinderung in Partnerschaften stärker durch Haushalts- und Familienaufgaben belastet als ihr männliches Äquivalent. Rund ein Drittel ist mit der Aufgabenteilung nicht zufrieden und beklagt mangelnde Unterstützung.
Benachteiligung beim Berufseinstieg und Angst vor Arbeitsplatzverlust
In Bewerbungsprozessen hat sich etwa die Hälfte aller Frauen mit Behinderung in der Vergangenheit bereits diskriminiert gefühlt und glaubt, aufgrund ihrer Behinderung auch seltener zu Vorstellungsgesprächen eingeladen zu werden. Die Mehrheit der Arbeitnehmer*innen mit Behinderung schließlich beklagt eine hohe persönliche Stressbelastung – hervorgerufen etwa durch den zunehmenden Konkurrenz- und Leistungsdruck und die Angst, den errungenen Arbeitsplatz wieder zu verlieren.
„Für eine chancengerechte Teilhabe am Erwerbsleben ist zwingend ein Kultur- und Bewusstseinswandel erforderlich – wir brauchen einen Arbeitsmarkt, der die individuellen Stärken und Qualifikationen von Bewerber*innen sieht und sich Inklusion und Gendergerechtigkeit zur Maxime macht”, resümiert Christina Marx.
Über die Studie zu Frauen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt


Drei Fragen an ...
Frauen mit Behinderung sind auf dem Arbeitsmarkt mehrfach benachteiligt. Im Vergleich zu Frauen ohne Behinderung sowie Männern mit und ohne Behinderung bilden sie das Schlusslicht bei Gehalt, Vollzeit- und Führungspositionen. Dabei zeigt sich, dass Frauen mit einer angeborenen Behinderung sogar noch schlechtere Chancen auf eine gleichberechtigte Teilhabe auf dem Arbeitsmarkt haben als diejenigen, die ihre Behinderung erst im Laufe des Lebens erwerben. Wer ohne eine Behinderung groß wurde und erst später im Berufsleben eine Behinderung erwarb, profitiert häufig bereits von einem höheren Ansehen und Selbstbewusstsein im Job. Dagegen befinden sich viele Frauen mit angeborener Behinderung vom Schulalter an in einer Spirale der Benachteiligung und haben es beispielsweise deutlich schwerer, ein formal hohes Bildungsniveau zu erlangen. Dies zeigt einmal mehr, wie entscheidend Inklusion von Anfang an ist.

Ein Beispiel aus der Berufspraxis
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