Das wir gewinnt

„Ich wünsche mir, dass wir in puncto Barrierefreiheit vorankommen.“ 

Wilfried Oellers, behindertenpolitischer Sprecher der CDU, erklärt, wie sich seine Partei in der kommenden Legislaturperiode für mehr Inklusion und Teilhabe einsetzen möchte. Für ihn steht besonders das Thema Arbeit im Fokus.

Wilfried Oellers, behindertenpolitischer Sprecher der CDU/CSU.

Über

Wilfried Oellers ist 1975 in Mönchengladbach geboren und ist seit 2018 Behindertenbeauftragter der Fraktion. Schon 1999 begann sein politisches Engagement in der Jungen Union, wo er sowohl im Stadtverbands- als auch im Kreisverbandsvorstand tätig war. Bei den Bundestagswahlen 2013 und 2017 wurde der studierte Rechtswissenschaftler bereits als direkt gewählter Abgeordneter für den Wahlkreis Heinsberg in den Deutschen Bundestag gewählt.
Menschen mit einer Beeinträchtigung die bestmögliche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen – beruflich und privat.

Wir haben mit einigen Gesetzen gute Ergänzungen zum Bundesteilhabegesetz verabschiedet. Das erste Gesetz, das wir überhaupt in dieser Legislaturperiode beschlossen haben, betrifft die Barrierefreiheit von Internetseiten öffentlicher Stellen. Dann sind natürlich das Teilhabestärkungsgesetz und das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz zu erwähnen. Ein großes und wichtiges Thema ist auch die Schaffung von Ansprechstellen für Unternehmen, die behinderte Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt beschäftigen wollen.

Außerdem haben wir die finanziellen Mittel für die ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) entfristet. Wie auch bei den Ansprechstellen für die Unternehmer, ist es wichtig, dass diese Einrichtungen trägerübergreifend arbeiten, so dass eine vollumfängliche Beratung stattfinden kann. Zu nennen wären auch die neuen Regelungen für Leistungsberechtigte in der Eingliederungshilfe, gerade auch zur Verbesserung ihrer Beratung und Betreuung im Jobcenter. Dadurch, dass die Mitarbeiter dort besser geschult werden, sollen sie die Beratung von Menschen mit einer Beeinträchtigung gezielter und vollumfänglich leisten können.
Außerdem haben wir dafür gesorgt, dass Menschen mit einem Assistenzhund Zutrittsrechte zu privaten und öffentlichen Räumen erhalten. Um ein solches Zutrittsrecht zu rechtfertigen, haben wir qualitative Standards für die Ausbildung von Assistenzhunden gesetzt. Auch das halte ich für eine sehr wichtige Initiative, die wir in dieser Legislaturperiode umgesetzt haben. Der Vollständigkeit halber will ich noch erwähnen, dass wir die Notrufapp für gehörlose und hörbehinderte Menschen gesetzlich verankert haben, die zurzeit umgesetzt wird.

Schließlich will ich noch die Novellierung zum Personenbeförderungsgesetz nennen. Auch hier muss verpflichtend mehr Barrierefreiheit eingerichtet werden. Diese Aufzählung ist nicht abschließend.
Diese Legislaturperiode hat weitere Verbesserungen für die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen in unserer Gesellschaft gebracht.

Tatsächlich stehe ich wöchentlich mit Interessenvertretern im Austausch: Ich stehe auch in ständigem Kontakt mit Menschen mit Beeinträchtigung in meinem Wahlkreis und tausche mich mit ihnen über notwendige weitere Regelungen aus und über Gesetzgebungsverfahren. Die Behindertenverbände lassen mir dazu regelmäßig ihre Stellungnahmen zukommen. Sie werden auch als Sachverständige zu den öffentlichen Anhörungen eingeladen. Die Interessensvertreter wissen auch, dass sie sich jederzeit und kurzfristig an mich wenden können.
Was die Fristen angeht, gebe ich Ihnen Recht. Die waren wirklich zum Teil viel zu kurz. Aber das bezieht sich nicht nur auf die behindertenpolitischen Themen, sondern auch auf andere Ausschüsse. Die Frist zur Stellungnahme wird ja im Rahmen des Entstehens eines Regierungsentwurfs durch die Ministerien verhängt. Da haben wir als Abgeordnete keinen Einfluss drauf. Wenn der Regierungsentwurf da ist, dauert es im parlamentarischen Verfahren auch noch eine Weile, bis das Gesetz beschlossen ist. In dieser Zeit treten die Verbände natürlich auch mit ihren Forderungen an uns heran. Da kann also auch noch einiges nachgetragen werden. Dennoch ist es natürlich am besten, seine Belange möglichst frühzeitig einbringen zu können. Daher ist eine längere Frist zwingend geboten. Die Verbände müssen ja so einen oft nicht gerade kurzen Entwurf auch lesen und durchdenken. Deswegen besteht hier auf jeden Fall noch Verbesserungsbedarf. Ich hoffe, dass das in der nächsten Legislaturperiode besser wird.
In meinem Büro habe ich sechs Mitarbeiter, von denen zwei eine Schwerbehinderung haben.
Werkstätten für behinderte Menschen werden im Moment sehr stark kritisiert. Es gibt sicher Verbesserungsbedarf in einzelnen Bereichen. Hier nenne ich insbesondere das Werkstattentgelt. Dazu haben wir als Koalitionsfraktionen ein Gutachterverfahren auf den Weg gebracht. Wir wollen diese Thematik überprüfen, weil wir da Verbesserungsbedarf sehen. Es wird aber auch häufig die Existenzberechtigung von Werkstätten infrage gestellt. Der Auffassung, dass Werkstätten abgeschafft werden müssen, widerspreche ich sehr deutlich. Ich halte die Werkstätten von ihrer Konzeption her für einen wichtigen Baustein, um Menschen auf den ersten Arbeitsmarkt vorzubereiten. Ich weiß, dass es da Kritik gibt und dass die Quote zu gering ist. Daran muss natürlich gearbeitet werden. Aber man muss auch zur Kenntnis nehmen, dass es Menschen gibt, die den Sprung auf den ersten Arbeitsmarkt aufgrund ihrer Behinderung wahrscheinlich nicht schaffen werden. Und dann eine Institution zu haben, wie die Werkstätten mit ihren Verbindungen zum ersten Arbeitsmarkt, um dorthin Tätigkeiten zu vermitteln, ist aus meiner Sicht ein wichtiger Beitrag, um durch die Werkstätten Inklusion zu verwirklichen. Ich kenne eben auch viele Stimmen von Werkstattbeschäftigten, die sagen: “Ich möchte mir nicht vorschreiben lassen, wo ich hingehen soll, wenn ich mich doch hier wohlfühle.” Wie gesagt, halte ich die Werkstätten für behinderte Menschen für einen wichtigen Baustein zur Vorbereitung auf den ersten Arbeitsmarkt, worum uns andere Länder beneiden.
Es geht bei dem Gutachten um die Frage: Wie kann das Entgelt für Werkstattbeschäftigte anders gestaltet werden? Ich nenne mal die Stichworte: “Lohn aus einer Hand” und „Mindestlohn für Werkstattbeschäftigte”. Das sind Punkte, die im Rahmen eines Gutachterverfahrens jetzt zunächst einmal bewertet werden. Das Ergebnis soll Ende 2023 vorliegen, vielleicht auch mit einer Empfehlung. Kritiker haben bemängelt, dass ein solches Gutachterverfahren vier Jahre dauert. Aber die Thematik ist sehr komplex. Wenn man weiß, aus wie vielen verschiedenen Töpfen Werkstattbeschäftigte Zahlungen erhalten, dann wird klar, mit wie vielen verschiedenen Personen und politischen Ebenen man letztlich sprechen muss, um Veränderungen zu erzielen. Deswegen werden wir mit diesem Verfahren wahrscheinlich länger zu tun haben. Ich hoffe, dass wir in der nächsten Legislaturperiode dazu vielleicht schon die ersten Schritte gehen können. Aber das wird kompliziert.
Wünschen würde ich mir, dass wir bei dem Thema Werkstattentgelt einige Schritte weiterkommen. Und dass wir auch in puncto Barrierefreiheit vorankommen. Da haben wir jetzt mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz schon erste Schritte gemacht, aber es gibt noch viel Luft nach oben. Außerdem würde ich mir wünschen, dass wir es schaffen, mehr Inklusion auf dem ersten Arbeitsmarkt umzusetzen. Diese Entwicklung war vor Corona schon positiv, aber es kann noch besser werden. Ich wünsche mir, dass wir mehr Unternehmen gewinnen, die Menschen mit Behinderung beschäftigen. Die Ansprechstellen, die wir jetzt gesetzlich fixiert haben, müssen möglichst schnell eingesetzt werden, um die Unternehmen zu sensibilisieren. Diese Ansprechstellen haben ja nicht nur die Aufgabe, zu beraten und aufzuklären, sondern auch, zu begleiten und zu betreuen. Und da hoffe ich sehr, dass das von den Unternehmen angenommen wird, die bislang noch keine Menschen mit Behinderung beschäftigen. Das wären einige Punkte, die ich hervorheben möchte. Aber im Rahmen der Behindertenpolitik gibt es noch viele Themen, die wir anpacken müssen, das muss man auch sagen. Und das möchte ich gerne angehen.

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Im Interview beantworten die behinderten- und teilhabepolitischen Sprecher*innen verschiedener Parteien Fragen rund um das Thema Inklusion. Hier finden Sie alle Interviews im Überblick.