Das wir gewinnt

Anthony Limpert: Freiwilliges Jahr in der Obdachlosenhilfe

Er gibt gespendete Kleidung aus, hilft beim Zubereiten von Mahlzeiten und hat ein offenes Ohr für die Menschen: Anthony Limpert engagiert sich ein Jahr lang freiwillig für die Obdachlosenhilfe in Berlin. Eine intensive Erfahrung, die er nicht mehr missen möchte. 

Ich mache ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) bei der Berliner Stadtmission. Das ist eine evangelische Organisation, die viele Hilfsangebote für obdachlose und bedürftige Menschen in der Stadt anbietet.

Ich bin 20 Jahre alt. Durch das FSJ kann ich nicht nur mein Fachabitur erreichen, sondern vor allem viele wichtige Erfahrungen sammeln, bevor ich Soziale Arbeit studieren möchte. Mein Ziel ist es, später im Bereich Suchthilfe und Jugendhilfe zu arbeiten, vor allem mit Jugendlichen aus schwierigen Verhältnissen.

Porträt eines jungen Mannes in einer Schneelandschaft, der ein Auge zukneift
Anthony Limpert

Kleiderkammer und Küche

Bei der Berliner Stadtmission bin ich an drei verschiedenen Einsatzstellen tätig: in der Kleiderkammer, der Logistikküche und im Textilhafen. Das ist sehr abwechslungsreich und gefällt mir gut. 

Drei Tage die Woche arbeite ich in der Kleiderkammer. Dort versorgen wir obdachlose Menschen mit Kleidung, wenn sie welche brauchen. Die Kleiderausgabe ist komplett kostenlos. Direkt daneben befindet sich eine Wäscherei, in der man für 2 Euro seine Kleidung waschen kann. Die Kleiderkammer ist täglich sechs Stunden geöffnet. Danach helfe ich noch in der Logistikküche mit. In der Logistikküche bereiten wir Essen für Notübernachtungsstellen vor. Zusätzlich kochen wir auch für Tagungen oder andere Veranstaltungen. 

Im Textilhafen, meiner dritten Einsatzstelle, kommen alle Sachspenden an: Kleidung, Hygieneartikel, und so weiter. Meine Aufgabe dort ist es, die Spenden zu sortieren: Was kann weitergegeben werden, was nicht? Viele Menschen geben leider kaputte oder stark verschmutzte Sachen ab – die können wir natürlich nicht verwenden. 

Der Umgang mit den Menschen ist oft intensiv. Viele sind gesundheitlich angeschlagen, einige brechen bei uns zusammen, etwa wegen Drogen oder Alkohol. Ich habe schon mehrfach den Krankenwagen rufen müssen. Es kann belastend sein, aber ich rede viel mit Freund*innen darüber, das hilft mir, damit klarzukommen. Und trotz aller Herausforderungen: Ich kann gut mit obdachlosen Menschen arbeiten, auch wenn es durch Sprachbarrieren nicht immer einfach ist.
Nicht jeder Tag ist einfach. Manchmal kann man den Menschen nicht das geben, was sie brauchen. Aber oft reicht es auch, einfach da zu sein. Zuzuhören. Ein Gespräch zu führen. Ein Stück Menschlichkeit zu zeigen.

Ich bin in Berlin-Neukölln aufgewachsen. Obdachlose Menschen waren für mich nie ein Tabu. Trotzdem hatte ich vor dem FSJ keinen direkten Kontakt zu ihnen. Jetzt sehe ich die Realität hautnah: körperlicher Verfall, Ablehnung durch die Gesellschaft, kaum Hilfsangebote. Viele denken: „Die wollen ja gar nicht raus aus der Obdachlosigkeit.“ Aber das stimmt nicht. Es kann jeden treffen. Und wenn man ständig abgewiesen wird, verliert man irgendwann das Vertrauen in jede Hilfe.

Wir bei der Stadtmission leisten Symptombekämpfung, mehr können wir oft nicht tun. Aber ich finde, das ist ein Anfang. Es braucht einen besseren Umgang, mehr Verständnis und echte Unterstützung. Statt immer neue obdachlosenfeindliche Strukturen zu schaffen, muss die Gesellschaft umdenken. Mit obdachlosenfeindlichen Strukturen meine ich, dass Parkbänke zum Beispiel extra so konstruiert werden, dass man nur sitzen und nicht liegen kann. Oder spitze Steine unter Brücken, so dass keine Schlafplätze entstehen können. Oder Bettelverbote und das Vertreiben von Obdachlosen aus Bahnen und Bahnhöfen.

Ich bin durch eine Freundin zur Stadtmission gekommen. Sie macht auch ein FSJ hier. Für mich war es ein Zufall, der viel verändert hat. Ich engagiere mich mittlerweile auch politisch in einer privaten Organisation, um ein Zeichen zu setzen. Denn es reicht nicht nur zu reden, man muss etwas tun.

Deshalb mein Appell: Probiert Freiwilligenarbeit einfach mal aus! Geht zur Bahnhofsmission, zur Kleiderkammer, zu irgendeiner Hilfseinrichtung. Viele Orte freuen sich über Unterstützung. Man muss nur den inneren Schweinehund überwinden.

Ein junger Mann schüttet Futter in einen Trog. Neben im stehen zwei Ziegen. Er lacht.

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