Anna Lena Keppler: Lebens- und Sterbebegleiterin
Neben meinem Job als Projektreferentin mache ich etwas, das mir persönlich sehr am Herzen liegt – ich engagiere mich ehrenamtlich als Lebens- und Sterbebegleiterin.
Vor etwa einem Jahr habe ich mich dazu entschieden, diese Ausbildung zur ehrenamtlichen Begleiterin in der letzten Lebensphase zu machen. Ich hatte das Gefühl, etwas zurückgeben zu wollen. Zeit hatte ich und vor allem das Bedürfnis, etwas Sinnvolles zu tun. Gefunden habe ich die Möglichkeit über eine Ehrenamts-App.
Zuerst dachte ich: Das kann ich nicht! Und dann dachte ich: Warum eigentlich nicht? Vor einiger Zeit ist mein Großvater gestorben. Und ich hatte gemerkt, dass ich in dieser Zeit gut für ihn da sein konnte.
Die Fortbildung zur Sterbebegleiterin hat sechs Monate gedauert. Seitdem bin ich Teil des ambulanten Hospizdienstes des Unionhilfswerks in Berlin-Reinickendorf.
Da sein, zuhören, Zeit schenken
Unsere Tätigkeit kann ganz unterschiedlich aussehen. Wir sind keine Pflegekräfte, wir übernehmen keine medizinische Versorgung. Wir schenken Zeit. Manchmal bedeutet das einfach, dazusitzen und zuzuhören. Oder mit jemandem zu singen. Oder ein Bild zu malen. Oder – wie bei meiner letzten Begleitung – einfach gemeinsam einkaufen zu gehen. Und manchmal kommt man hin und die Person sagt: „Heute fühle ich mich gar nicht.“ Dann redet man ein bisschen. Oder auch gar nicht. Alles ist okay.
Wir besuchen Menschen dort, wo sie sind – zu Hause, im Heim, im Krankenhaus. Die Einsätze sind individuell, meistens etwa einmal pro Woche. Die Koordinator*innen unseres Dienstes vermitteln uns zu Menschen, die alt oder schwer krank sind. Es sind Menschen, die sich bewusst für diese Art der Begleitung entscheiden.
Ich erinnere mich noch gut an meine erste Begleitung – damals noch an der Seite eines sogenannten „Buddy“, der mich zunächst unterstützt hat. Wie baut man Vertrauen zu jemandem auf, den man kaum kennt? Für mich war der Schlüssel: Zuhören, offen sein – und den Gedanken loslassen, dass es um mich selbst geht.
Oft erzählen die Menschen von ganz allein. Von ihrem Leben. Ihren Sorgen. Ihren Gedanken über den Tod. Das ist in ihrer Situation verständlich. Und jedes Gespräch, jede Begegnung ist anders. Mit der Lebens- und Sterbebegleitung kommt jemand, dem man sich anvertrauen kann. Ich habe schon erlebt, wie sich Menschen mir gegenüber ganz anders öffnen können als gegenüber Angehörigen oder Freund*innen.
Natürlich nimmt einen das manchmal mit. Zur Unterstützung gibt es Gespräche, Supervision, Austausch mit anderen Ehrenamtlichen. Wir sind nicht allein.
Beruflich komme ich aus einer ganz anderen Welt – ich habe internationales Management studiert, also BWL auf Englisch. Mein Alltag ist wirtschaftlich geprägt. Vielleicht ist es gerade deshalb so wichtig für mich, diesen Ausgleich zu haben.
Ich wünsche mir, dass mehr Menschen erfahren, dass es solche Formen des Ehrenamts gibt. Dass man nicht perfekt sein muss. Sondern einfach ein bisschen Zeit, ein bisschen Offenheit und ein bisschen Mut mitbringen sollte.
Und am Ende bekommt man so viel zurück. Einen anderen Blick aufs Leben – und auf das, was wirklich zählt.