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Autofahren mit Rollstuhl – ein Interview

Franzi nutzt aufgrund ihrer Behinderung in ihrem Alltag einen Rollstuhl und ist damit mobil unterwegs. Einige Strecken kann sie aber nur mit einem Auto bewältigen, denn damit ist sie flexibler und kann selbstbestimmter leben. Sie berichtet, wie sie ihren Führerschein gemacht hat und wie Auto fahren und Rollstuhl zusammenpassen. 

Wie bist Du zu Deinem Führerschein gekommen und was waren die Hürden?

Als aller erstes musste ich eine Fahrschule finden, die auch Menschen mit Mobilitätseinschränkungen ausbildet. Schnell wurde dann klar, dass es für mich weitaus mehr zu beachten gibt, als für die Schüler*innen ohne Einschränkung. Und eben, dass ich auch viel mehr Geld brauchte. Zum Beispiel weil meine Fahrstunden mehr kosteten, da das Fahrzeug für mich umgebaut werden musste, damit ich selbst fahren kann.

Ich brauchte auch ein Gutachten eines Verkehrsmediziners, was ich selbst bezahlen musste. Ich hatte Glück, denn mein Neurologe ist Verkehrsmediziner und konnte mir bescheinigen, dass ich in der Lage bin mit einem für mich umgebauten KFZ mit Rollstuhl zu fahren.

Nach den ersten Fahrstunden folgte eine weitere Hürde: Mein Arzt hatte mir zwar bescheinigt, dass ich körperlich dazu in der Lage bin ein Auto fahren zu können, aber der TÜV prüft dies noch einmal separat. Auch diese Prüfung musste ich extra bezahlen. Im Grunde saß der Prüfer nur hinten im Auto und ich fuhr einmal um den Block.  

Ich erhielt meinen Führerschein wenige Wochen später, nach der allgemeinen Führerscheinprüfung.

 

Wie funktioniert deine Beatmung beim Fahren?

Ich war bei meinem TÜV ein Präzedenzfall, weil ich zusätzlich zum Rollstuhl auch eine Beatmung benötige. Diese brauche ich eigentlich nur, wenn ich schlafe oder Sport mache. Manchmal, wenn ich nicht so fit bin, auch mal zwischendurch. Der TÜV beschloss aber, dass ich die Beatmung beim Autofahren immer dabeihaben muss. Manchmal etwas lästig, da ich sie an guten Tagen überhaupt nicht bräuchte. Aber ich trage sie und habe den Rucksack mit dem Beatmungsgerät hinter meinem Sitz stehen.  

 
Portraitfoto von Franziska Seehausen. Sie hat kurze lockige Haare und trägt eine Brille.
Franziska Seehausen

Wenn ich mit dem Rollstuhl unterwegs bin, dann ist dies mein "zu Fuß". Bin ich aber mit dem Auto oder dem Handbike unterwegs, dann fahre ich.  

Franziska Seehausen

Wie ist dein Auto für dich und den Rollstuhl umgebaut?

Da ich nicht genug Kraft in den Beinen habe, um die Pedale zu benutzen, brauche ich eine Handbedienung. Quasi um buchstäblich das Tempo in der Hand zu haben.  Mit dem Handgerät kann ich Gas geben und bremsen. Ich habe eine Art Joystick in der rechten Hand. Wenn ich nach hinten-unten ziehe, dann gebe ich Gas und wenn ich nach vorne-oben drücke, dann bremse ich. Der Joystick ist mit zwei Stäben mit den beiden Pedalen verbunden. Da ich stets eine Hand am Joystick und eine am Lenkrad habe, fahre ich ein Automatikauto.

Zusätzlich zu Knauf und Handbedienung brauche ich noch ein extra Bedienfeld, um zu blinken, hupen oder die Scheibenwischer zu betätigen. Ich habe entschieden, dass dieses Bedienfeld an die Handbedienung montiert wird. Dann kann ich mit dem Zeigefinger alle Knöpfe erreichen.

 

Können nur Rollstuhlfahrer*innen dein Auto fahren?

Nein, das war mir beim Fahrzeugumbau sehr wichtig. Die Pedale sind frei, sodass auch jede Person, die mit den Beinen fährt, das KFZ noch problemlos steuern kann. Einzig den Knauf am Lenkrad muss sie abnehmen.

Wie kommst du in das Fahrzeug rein und wo kommt dann dein Rollstuhl hin?

Ich stelle mich mit meinem Rollstuhl so nah wie möglich an die Seite am Fahrersitz. Mein rechtes Bein stelle ich als erstes rein und dann ziehe ich mich am Lenkrad ins Auto. Das linke Bein hole ich danach ins Auto. Jetzt sitze ich drinnen und der Rollstuhl steht noch draußen.  
Danach hole ich das Sitzkissen heraus und verstaue es im Fußraum des Beifahrersitzes. Den Rollstuhl stelle ich auf die Lenkräder (also die kleinen Räder vorne) und lehne ihn mit der Rückenlehne gegen die offene Tür. So sind die großen Räder frei und ich kann sie abmontieren. Die Räder hebe ich vor mir her und verstaue sie nacheinander auf dem Rücksitz. Damit sie während der Fahrt nicht aufeinander klappern, packe ich ein Handtuch dazwischen.

An meinem Rollstuhl kann ich den Kleiderschutz und darauf die Rückenlehne auf die Sitzfläche klappen. Dann hat mein Rollstuhl eine L-Form und ich hebe ihn vor mir her auf den Beifahrersitz. Deshalb es sehr wichtig, dass der Rollstuhl so leicht wie möglich ist. Durch die L-Form sitzt er perfekt auf dem Sitz. Auf dem Beifahrersitz habe ich immer ein Handtuch, da der Rollstuhl sonst gerne mal Ölflecken hinterlässt. Natürlich wird der Rollstuhl auch angeschnallt, damit er bei einer scharfen Bremsung nicht nach vorne rutscht.  

Wenn ich Mitfahrer*innen oder das Glück habe, dass bei Abfahrt und Ankunft Menschen sind, die helfen können, dann dürfen diese lieben Personen meinen Rollstuhl in den Kofferraum verstauen.  

 

Gut zu wissen

Wenn du zum Beispiel durch einen Unfall querschnittgelähmt oder du plötzlich so erkrankt bist, dass du mit den Beinen nicht mehr fahren kannst und du vorher schon einen Führerschein hattest, musst du keinen weiteren machen.

Um mit Handbetrieb fahren zu dürfen, brauchst du das Gutachten des Verkehrsmediziners und musst dem TÜV bei einer Probefahrt zeigen, dass du auch so fahren kannst. Dafür kannst du natürlich ein paar Übungsstunden bei einer entsprechenden Fahrschule machen. 
 

Wie ist das für dich, wenn Menschen dir dabei zuschauen oder dir helfen wollen?

Ich habe beim Einsteigen und Ein- und Ausladen meine Routine. Viele Menschen finden es sehr faszinierend, wie ich meinen Rollstuhl im Fahrzeug verstaue. Oft wollen sie zuschauen oder mir bei meiner Routine helfen. Wenn ich aber weiß, dass ich den Rollstuhl später wieder allein ausladen muss, dann ist es mir lieber, wenn ich ihn auch selbständig verstaue. Dann kann ich sicher sein, dass ich ihn auch ohne Hilfe wieder entladen kann.

Auch ist es mir lieber, wenn mir keiner zuschaut oder mit mir dabei reden möchte. Ich werde dann unkonzentriert, komme bei der Reihenfolge durcheinander und mache Fehler. Das mag nicht dramatisch klingen, aber es erschwert mir die Sache doch sehr und ich muss mit meiner Energie gut haushalten. 

Daher meine Bitte: Fragt gerne nach, ob ihr helfen könnt. Mich freut das immer sehr. Aber bitte akzeptiert, wenn ich die Hilfe ablehne. Das gilt auch für das Schieben meines Rollstuhls. In den meisten Fällen lehne ich ab, aber hier und da brauche ich Hilfe. Daher bedanke ich mich immer und lehne mit der Bitte ab, dass die Menschen weiterfragen. Denn wenn ihr fragt, dann zeigt ihr mir, dass ihr nicht wegguckt. Aber wenn ich die Hilfe ablehne und ihr mich trotzdem schiebt oder einfach meinen Rollstuhl ins Fahrzeug packt, dann ist das übergriffig und Ableismus. Dann schreibt ihr mir meine Selbstständigkeit und mein Urteilsvermögen ab.
Mir ist klar, dass es ein schmaler Grad zwischen hilfreich und Übergriffigkeit ist.

Als Faustregel mag ich für solche Situationen: Fragt und akzeptiert die Antwort.

 
Eine junge Frau balanciert im Rollstuhl. Sie trägt ein Beatmungsgerät.

Franziska Seehausen fährt nicht nur gern Auto.

Du musst das alles alleine machen? Gibt es keine Technik dafür?

Es gibt sehr viele verschiedene Möglichkeiten um mit dem Rollstuhl in das Fahrzeug zu kommen. Zum Beispiel gibt es Rampen und Lifte. Für Selbstfahrer*innen gibt es auch die Möglichkeit beim Fahren im Rollstuhl sitzen zu blieben. Statt des Fahrersitzes kann dann zum Beispiel eine Schiene am Boden sein, an der der Rollstuhl befestigt wird. Diese gibt es auch für Rollstuhlfahrer*innen, die im KFZ mitfahren.

Wer so einsteigt wie ich, hat auch die Möglichkeit ein Verladesystem für den Rollstuhl im Fahrzeug zu haben. Auch da gibt es viele Möglichkeiten. Du kannst dich bei den Firmen beraten lassen, was die beste Möglichkeit für deinen Fahrzeugumbau ist.

 

Wie ist denn die Parksituation für Dich, vor allem an öffentlichen Plätzen?

Beim Autofahren mit Rollstuhl brauche ich einen breiteren Parkplatz als den Standard-Parkplatz. Denn ich muss meine Türe in voller Breite öffnen können, damit ich den Rollstuhl gut aus- und einladen kann. Ich kann also nur diese breiten Parkplätze benutzen. Um ehrlich zu sein, wäre es sogar hilfreich, wenn diese Parkplätze noch breiter wären. Dann könnte ich zum Beispiel auf beiden Seiten den Kindern beim Anschnallen helfen.  

An meinem Wohnort wurde mir von der Stadt ein Parkplatz gestellt. Das kann man ganz einfach beantragen, sodass ein Platz mit der entsprechenden Nummer im blauen Parkausweis reserviert ist.

Wenn ich unterwegs bin, versuche ich meist vorher einen rollstuhlgerechten Parkplatz zu finden. Das mache ich über Google-Street-View oder mit der App „Wheelmap .“ Notfalls rufe ich dort an, wo ich hinmöchte, zum Beispiel bei der Stadt oder bei Parkhäusern in der Nähe.

Oft benötigt eine Autofahrt mit Rollstuhl also eine gute Vorbereitung. 

 

Fahrzeugumbau

Fahrzeugumbauten sind sehr teuer und es gibt nur wenige Firmen, die diesen Umbau durchführen. In Deutschland sind vor allem zwei Firmen bekannt: Zawatzky und Sodermanns .

Je nach Situation kann man das Integrationsamt um Kostenbeteiligung bitten.  

Wie ist das mit der Lage der Parkplätze für dich?

Es ist für mich fast unmöglich einen Einkaufswagen zu benutzen und ich transportiere meine Einkäufe meist auf dem Schoß. Wenn ich nicht fit bin, ist es für mich schwierig längere Strecken zurückzulegen. Oder es kann auch mal sein, dass der Rest des Parkplatzes Kopfsteinpflaster hat oder mit Schotter versehen ist. Das macht es sehr, sehr schwierig, mich mit dem Rollstuhl darauf zu bewegen.

Deshalb ist für mich wichtig, dass die Parkplätze möglichst nah am Ausgang eines Ladens gelegen sind.
  

 

Parkplätze

Behindertenparkplätze sind nicht nur für Fahrzeuge von Rollstuhlnutzer*innen. Sie sind für Personen mit einer außergewöhnlichen Gehbehinderung (zum Beispiel beinamputierte Menschen) oder mit Atemwegserkrankungen gedacht, damit sie so kurze Wege wie möglich haben. 

Wer einen solchen Parkplatz benutzen darf wird von der Straßenverkehrsbehörde oder beim Ordnungsamt gründlich geprüft. Wenn man dort parkberechtigt ist, dann bekommt man einen blauen Sonderparkausweis. Der gilt in ganz Europa und wird gut sichtbar im Auto platziert. Dieser Ausweis ist nicht auf andere übertragbar. Der blaue Parkausweis ist im Übrigen nicht zu vergleichen mit dem orangen Ausweis für Parkerleichterungen. Mit dem orangefarbenen Ausweis hat man keine Berechtigung auf den Behindertenparkplätzen zu parken. 

 

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