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Wie Kinder heute aufwachsen

Das Leben von Kindern hat sich in Deutschland in den letzten 30 Jahren sehr verändert. Zum Beispiel lassen sich heute mehr Eltern scheiden als früher. Eltern haben heute mehr Angst, dass ihre Kinder später keinen guten Job bekommen. Das Internet gehört inzwischen zum Alltag der meisten Kinder. Kinder mit und ohne Behinderung besuchen öfter zusammen dieselben Kitas und Schulklassen.
Mehrere Kinder sitzen auf einer Bank. Alle haben ein Handy in der Hand und schauen darauf.
Text und Übersetzung: Astrid Eichstedt
Fotos: Thilo Schmülgen
Über ein Drittel aller Kinder in Deutschland erlebt, dass sich die Eltern scheiden lassen. Wissenschaftler glauben, dass sich Eltern von Kindern mit Behinderung sogar noch öfter scheiden lassen. Genaue Zahlen dazu gibt es aber nicht. Die meisten Kinder leiden unter der Trennung ihrer Eltern. Manche Kinder ziehen sich dann zurück. Sie wissen nicht, ob sie anderen Menschen noch trauen können. Früher bestand eine Familie fast immer aus Vater, Mutter und den gemeinsamen Kindern. Heute bringen Mütter und Väter häufig Kinder aus einer früheren Ehe in eine neue Ehe mit ein. Es gibt auch sehr viele Väter und vor allem Mütter, die ihre Kinder alleine erziehen. Außerdem gibt es Familien, in denen Kinder mit zwei Vätern oder zwei Müttern aufwachsen. In diesen neuen Familien lernen Kinder, ihre Vorurteile abzulegen. Sie lernen auch, auf andere Menschen zuzugehen.

Kindheit im Internet

Kinder tauschen sich sehr viel über das Internet aus. Zum Beispiel über Plattformen, wie Instagram, Snapchat und WhatsApp. Statt mit Puppen oder mit Eisenbahnen spielen sie oft elektronische Spiele auf ihren Tablets oder Smartphones. Das hat Auswirkungen auf die Kinder. Die Nutzung von Smartphone und Tablet kann gut oder schlecht für die Entwicklung von Kindern sein. Es kommt darauf an, wie sie damit umgehen. Und das hängt auch davon ab, wie gut ihre Eltern für sie sorgen. Wichtig ist, dass Kinder sich genug bewegen. Sie sollen ihre Freizeit nicht nur mit elektronischen Spielen und auf Internet-Plattformen verbringen. Aber nur drei bis fünf Prozent der Kinder ist süchtig nach elektronischen Spielen. Durch das Internet können sie sich mit anderen austauschen. Außerdem kommen sie durch das Internet  besser an Informationen. Daher ist es wichtig, dass der Zugang zum Internet barrierefrei ist.
Manche Wissenschaftler sagen, dass sehr kleine Kinder keine elektronischen Spiele spielen sollen. Sie sollen lieber mit anderen Kindern spielen. 

Zwei Mädchen haben ihre Hände auf einer Tastatur und schauen auf einen Bildschirm.

Mehr Leistungsdruck

Früher dachten die meisten Eltern, dass es ihre Kinder später einmal besser haben als sie selbst. Heute fürchten viele Eltern, dass ihre Kinder später kein gutes Einkommen haben. Darum wünschen sich heute auch so viele Eltern, dass ihre Kinder das Abitur machen. Heute machen in Deutschland über die Hälfte der Kinder das Abitur. 1992 haben in Westdeutschland ein Drittel der Kinder das Abitur gemacht. In Ostdeutschland war es nur ein Fünftel. Manche Wissenschaftler finden es nicht gut, von Kindern nur Leistung zu fordern. Denn dadurch lernen Kinder auch, nur an sich selber zu denken. Sie werden rücksichtslos gegenüber anderen. Einer von diesen Wissenschaftlern ist der Kinderarzt Herbert Renz-Polster. Er hat zusammen mit dem Hirn-Forscher Gerald Hüther ein Buch geschrieben. Das Buch heißt "Wie Kinder heute wachsen". Der Sozial-Wissenschaftler Klaus Hurrelmann hat ein Buch geschrieben mit dem Titel "Kindheit heute". Darin warnt er auch davor, Kinder nur nach ihrer Leistung zu beurteilen. Man soll die Mitmenschlichkeit nicht vergessen. Die Pädagogin und Inklusions-Fachfrau Ines Boban sagt: Leistungsdruck verhindert sogar die natürliche Entwicklung und das Lernen bei Kindern.

Viel Kontrolle, wenig Freiheit

Die Erziehung von Kindern ist heute nicht mehr so streng wie früher. Aber heute behüten Eltern ihre Kinder viel mehr. Viele Eltern wollen immer wissen, was ihre Kinder gerade machen. Mit dem Mobiltelefon können sie immer feststellen, wo das Kind gerade ist. Die meisten Eltern bringen ihre Kinder zur Kita oder zur Grundschule. Sie bringen sie zu Kursen und zu Freunden und holen sie auch wieder ab. Eltern haben Angst, dass den Kindern etwas passiert. Oder dass sie sich alleine nicht zurecht finden. Dadurch lernen Kinder nicht, selbstständig zu werden. Der Kinderarzt Herbert Renz-Polster findet das schade. Er sagt, dass Kinder öfter alleine draußen mit anderen Kindern spielen sollen. Denn das ist gut für ihre Entwicklung. Die Pädagogin und Inklusions-Expertin Ines Boban versteht, dass Eltern Angst um ihre Kinder haben. Denn dafür gibt es viele Gründe. Wenn Kinder anders sind als die meisten, fürchten sich Eltern besonders. Sie denken, dass andere Menschen ihre Kinder schlecht behandeln. Zum Beispiel wenn die Kinder eine andere Hautfarbe oder eine Behinderung haben.

Ein Mädchen und ein Junge sitzen sich an einem Tisch gegenüber. Das Mädchen schreibt etwas.

Was Kinder brauchen

Den meisten Eltern ist es sehr wichtig, dass ihre Kinder in der Schule gute Leistungen bringen. Sie wollen, dass sie sich gegen andere Kinder durchsetzen. Inklusion hat aber ganz andere Ziele. Inklusion bedeutet: nicht gegeneinander, sondern miteinander. Kinder mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen sollen zusammen lernen und spielen. Heute wissen viele Wissenschaftler, dass solche gemischte Gruppen allen Kindern gut tun. Sie fördern alle Kinder in ihrer Entwicklung. Deshalb werden immer mehr Kitas, Schulen und außerschulische Angebote inklusiv. Inklusion bedeutet auch: die Förderung der besonderen Stärken und Schwächen von jedem Kind. Inklusion soll verhindern, dass arme Kinder sehr oft schlechte Schüler sind. Das gilt auch für Kinder von Eltern, die selber große Probleme haben.
Kinder brauchen Erwachsene, die auf ihre Fähigkeiten und Interessen achten. So werden Kinder stark. Eltern, Erzieher und Lehrer sollen ihnen dabei helfen, Sachen auszuprobieren und Neues zu entdecken. Kinder sollen die Erfahrung machen dürfen: Verschiedenheit ist selbstverständlich und gut. Dann sind sie gut vorbereitet auf das Leben in unserer vielfältigen Gesellschaft.

Kinder im Klassenraum an Schreibtischen. Ein Lehrer beugt sich zu einem Mädchen im Rollstuhl.

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