Das Wir gewinnt

Vom Twitter-Netzwerk zum Praxishandbuch „Diklusive Lernwelten“

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Lea Schulz und Martin Lüneberger haben zusammen mit zwei Kolleg*innen das Praxishandbuch „Diklusive Lernwelten“ herausgegeben. Wie sie viele Autor*innen aus verschiedenen Fachgebieten für ihr Projekt finden konnten und für wen ihr Buch interessant ist, erläutern sie im Interview

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, ein solches Praxishandbuch zu initiieren? Und wie habt ihr so viele Autor*innen gefunden?

Martin Lüneberger: Auf die Idee sind nicht wir gekommen, sondern die Community. Als ich bei Twitter anfing, habe ich festgestellt, dass es dort speziell unter dem Hashtag #twitterlehrerzimmer viele Lehrkräfte gibt, man schnell und einfach Hilfestellungen bekommt und sich gut vernetzen kann. Allerdings hatte ich das Gefühl, dass Lehrkräfte aus den Bereichen Sonderpädagogik und Inklusion dort wenig zu finden sind. Deshalb habe ich ein Online-Board gestartet, auf dem sich solche Menschen zwecks Vernetzung eintragen konnten. Diese lose Gemeinschaft hat sich dann in einem Chat auf Twitter getroffen, um zu überlegen, welche Projekte man ins Leben rufen könnte. So ist dann letztlich die Idee zum Buch entstanden. 

Lea Schulz: Ich selbst habe bereits bei dem Buch von Tim Kantereit („Hybridunterricht 101. Ein Leitfaden zum Blended Learning für angehende Lehrer*innen“, 2020, Anm. der Redaktion) mitgeschrieben, das ebenfalls über das Twitterlehrerzimmer veröffentlicht worden ist, und war fasziniert von der Vielfalt der Beiträge. Hier hat sich eine große Interessengemeinschaft zusammengefunden. Als eine Kollegin dann die Idee über einen Tweet äußerte, dies ebenfalls umzusetzen, war ich gleich Feuer und Flamme. Es war eine große Freude, die Beiträge der vielen Autor*innen zu lesen und zu einem Werk zusammenzuführen. Die Autor*innen stammen zum einen aus dem Twitternetzwerk (#twlz oder #sopaed oder #diklusion), zum anderen aus unseren persönlichen Kontakten. Da wir vier Herausgeber*innen bereits aus drei unterschiedlichen Bundesländern stammen und darüber hinaus bereits viele private und berufliche Kontakte bestanden, ist ein unglaublich umfassendes Werk entstanden.

Dr. Lea Schulz. Eine Frau mit langen dunklen geflochtenen Haaren und großen Ohrringen.
Lea Schulz ist Sonderpädagogin, Studienleiterin und Expertin in Sachen Inklusion und digitale Medien in der schulischen Bildung in Niedersachen. 
Martin Lüneberger, ein Mann mit Glatze, kurzem Bart und Brille.
Martin Lüneberger ist Sonderpädagoge sowie Seminarleiter und Medienberater in der schulpraktischen Lehrerausbildung in NRW

Das Buch sollte ein Sprachrohr für eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen in einer digitalen Welt des Lehrens und Lernens sein. 

Martin Lüneberger

Was war euch bei der Umsetzung des Handbuchs besonders wichtig?

Martin Lüneberger: Mir und den anderen Herausgeber*innen war es von Beginn an wichtig, einen guten Mix aus Praxis und Theorie im Buch abzubilden. Auch sollten möglichst verschiedene Förderorte und Förderschwerpunkte beleuchtet werden. Aspekte der Digitalität bzw. der so genannten neuen Medien, die ja auch nicht mehr so neu sind im Übrigen, stellten für uns dabei ein Querschnittsthema dar. Das Buch sollte ein Sprachrohr für eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen in einer digitalen Welt des Lehrens und Lernens sein. Dass wir über 50 Autor*innen verschiedenster Professionen und sogar Schülerinnen gewinnen konnten, war vielleicht nicht so gewollt, freute uns aber umso mehr. 

Lea Schulz: Wir wollten ein Buch schreiben, das für alle Pädagog*innen einen guten Einstieg in das Thema Diklusion bietet, das Praxisbeispiele aufzeigt und Appetit macht auf diklusive Lernsettings. Gleichzeitig wollten wir dennoch die Beispiele und viele der Ideen mit einem theoretischen Hintergrund verknüpfen - daraus sind die einleitenden Kapitel entstanden. Da wir den diklusiven Unterricht in der Breite betrachten wollen, haben wir auch die Bereiche Berufsbildung, Schulentwicklung und Lehrer*innenbildung in kurzen Abschnitten mit aufgenommen. Die Auswahl der Autor*innen sollte ebenfalls vielfältig sein: Schüler*innen, Lehrkräfte, Professor*innen, Dozent*innen, Pädagog*innen, Logopäd*innen u.v.m. haben hier unter einem Dach die Diklusion von verschiedenen Seiten beleuchtet. 

Wir wollten ein Buch schreiben, das für alle Pädagog*innen einen guten Einstieg in das Thema Diklusion bietet, das Praxisbeispiele aufzeigt und Appetit macht auf diklusive Lernsettings

Lea Schulz

Euer Handbuch bietet viele tolle Impulse. Wenn ich Einsteiger*in bei dem Thema bin, wie lässt sich das Handbuch nutzen? Wie fange ich am besten an?

Martin Lüneberger: Ich würde sagen, es ist ein sehr gutes Nachschlagewerk. Ich kann etwa bestimmte Kapitel zur theoretischen Grundlegung der diklusiven Medienbildung lesen, oder ich informiere mich über den Einsatz einer bestimmten App in einem bestimmten Lernsetting, oder ich lese nach, was mit dem Begriff „Diklusion” eigentlich gemeint ist. Über das Buch habe ich bereits viele Kontakte mit Menschen und/oder Institutionen, die mir vorher gänzlich unbekannt waren, - die Vernetzung ganz im Sinne der (diklusiven) Bildungsteilhabe von Menschen mit Behinderungen geht also weiter. 

Lea Schulz: Das Buch muss nicht zwingend von vorne nach hinten gelesen werden. Ich empfehle immer gerne das Einstiegskapitel zur Diklusion, um einen Überblick zu gewinnen. Vor jedem Abschnitt gibt es jeweils wieder eine praxisnahe Einführung. Danach würde ich mich vom Inhaltsverzeichnis und meinen persönlichen Interessen leiten lassen. Einige Kolleg*innen berichteten, dass sie sich auch anhand der Bilder haben inspirieren lassen. Das, was ihnen ansprechender erschien, haben sie dann nochmal im Detail gelesen. Durch die PDF-Version hat man zudem den Vorteil, auch über die Suche selektieren zu können. 

Das Cover vom Buch "Diklusive Lernwelten - Zeitgemäßes Lernen für alle Schüler:innen"

Diklusive Lernwelten 

Das Praxishandbuch „Diklusive Lernwelten“ ist mit seinen knapp 500 Seiten eine wahre Fundgrube vor allem für Lehrkräfte und Pädagog*innen.

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