Kommunen verstehen und überzeugen
Sie wollen, dass Kommunalverwaltung und -politik Ihr Vorhaben unterstützen und dass sie im besten Fall Partner*innen in Ihrem Netzwerk werden.
Lesen Sie hier, welche Schritte Sie gehen sollten, bevor Sie Kontakt zu kommunalen Vertreter*innen aufnehmen, wie Sie die richtigen Partner*innen aus Politik und Verwaltung finden und wie Sie sie am besten ansprechen.
Erkenntnisse / Empfehlungen aus Kommune Inklusiv:
- Informieren Sie sich genau: Wer entscheidet in Ihrer Kommune was? Wer ist wofür zuständig? Wann werden in der Kommune welche Entscheidungen getroffen
- Finden Sie mehr darüber heraus, wie Ihre möglichen Ansprechpartner*innen denken und welche Meinungen sie vertreten.
- Bereiten Sie sich vor der Ansprache kommunaler Vertreter*innen gut vor. Formulieren Sie Ihre Ziele klar und gehen Sie mit einer positiven Haltung in die Gespräche: Erarbeiten Sie mögliche Lösungen für Herausforderungen in der Kommune.
- Bieten Sie Ihren Ansprechpartner*innen in Verwaltung und Politik Ihr Fachwissen an. Unterstützen Sie sie dabei, das Leben in der Kommune noch besser zu machen.
- Arbeiten Sie als Team: Teilen Sie Recherche und Kontaktpflege unter Ihren Netzwerkpartner*innen auf. Nutzen Sie bereits vorhandene Kontakte Ihres Netzwerks.
- Dokumentieren Sie die Ergebnisse Ihrer Recherchen: Alle (neuen) Netzwerkpartner*innen sollten schnell auf das Wissen und die Kontakte zugreifen können.
- Machen Sie sich bewusst: Sich in den kommunalen Strukturen zu vernetzen, braucht viel Zeit. Planen Sie für die gesamte Projektzeit Ressourcen dafür ein.
Lernen Sie, wie Kommunen funktionieren
Wenn Sie mehr über kommunale Abläufe wissen, können Sie sich in diese Prozesse einklinken. Sie können Ihr Fachwissen in politische Ausschüsse einbringen. Oder zum richtigen Zeitpunkt mit Kontakten aus der Verwaltung oder der Lokalpolitik sprechen. So können Sie Ihr inklusives Vorhaben in der Kommune voranbringen und verankern.
Praxisbeispiel: Wen in der Kommune ansprechen?
Vorüberlegungen und Recherchen
Klare Ziele und Netzwerk mitbringen
Eine Voraussetzung dafür, dass Sie mit Ihrem Vorhaben Verwaltung und Politik überzeugen: Sie haben Ihr Projekt wirkungsorientiert geplant und wissen genau, was Ihre Ziele und Zielgruppen sind. Außerdem haben Sie Akteur*innen in Ihr Netzwerk geholt, die vor Ort ähnliche Themen und Projekte machen wie Sie.
Wenn Sie Ihre Ziele und Argumente formulieren, überlegen Sie:
- Was will und braucht die Kommune?
- Welche Herausforderungen in der Kommune kann Ihr Vorhaben lösen?
Schauen Sie dafür auch in die Gemeindeordnung Ihres Bundeslands und in die Hauptsatzung und die Geschäftsordnung Ihrer Kommune. Die Dokumente beschreiben, wofür Ihre Kommune zuständig ist, welche Aufgaben sie erledigen muss, welche sie übernehmen kann und wie sie ihre Aufgaben organisiert.
Schulungen besuchen und Expert*in werden
Es braucht Menschen in Ihrem Netzwerk, die bereit sind, Fachwissen zu kommunalen Themen zu erwerben und ihr Wissen weiterzugeben. Besuchen Sie deshalb Fortbildungen zu diesen Themen. So bieten beispielsweise die Stiftungen der großen demokratischen Parteien (beispielsweise Konrad-Adenauer-Stiftung, Friedrich-Ebert-Stiftung, Böll-Stiftung, Friedrich-Naumann-Stiftung) Seminare an. Verschiedene private Fortbildungsanbieter, Akademien und Bildungsvereine haben solche Seminare ebenfalls im Programm. Bei der Bundeszentrale für politische Bildung gibt es Literaturtipps zur Kommunalpolitik und Link-Tipps zur Kommunalpolitik .
Besonderheiten in Kommunen berücksichtigen
Verwaltung hat viele verschiedene Ebenen: Informieren Sie sich darüber, wie die Dienstwege sind und wer was entscheiden darf.
Verwaltung arbeitet meistens mit klar aufgeteilten Zuständigkeiten zwischen den Ämtern: Bei einem Thema wie Inklusion kann das eine Herausforderung sein. Es umfasst alle Lebensbereiche in einer Kommune und betrifft damit viele verschiedene Ämter und zuständige Mitarbeiter*innen. Nehmen Sie diese Herausforderung an und suchen Sie Kontakt zu verschiedenen Ämtern wie zum Beispiel Soziales, Kinder und Jugend, Gesundheit, Stadtkämmerei, Bauen oder Verkehr.
Kommunen haben oft wenig Geld: Informieren Sie sich darüber, wie die Finanzen in Ihrer Kommune aussehen. Lesen Sie dafür den Haushaltsplan. Sie finden ihn beispielsweise auf der Webseite Ihrer Kommune. Überlegen Sie: Wie teuer wäre es für die Kommune, Ihr Vorhaben umzusetzen? Recherchieren Sie Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten, die Sie der Kommune vorschlagen können. Möglicherweise entdecken Sie im kommunalen Haushaltsplan auch Anknüpfungspunkte: Vielleicht sieht der Haushaltsplan ein Vorhaben vor, das ähnliche Ziele hat wie Ihr Projekt. Sie können vorschlagen, Ihr Projekt mit dem Vorhaben der Kommune zu verknüpfen.
Recherchearbeit aufteilen
Kommunalpolitik und Verwaltung zu verstehen braucht Zeit. Gehen Sie deshalb am besten arbeitsteilig vor und verteilen Sie verbindliche Aufgaben. Ein Beispiel für Arbeitsteilung:
- Recherche wichtiger Ansprechpartner*innen in Ämtern
- Recherche von Gremien: Welche Gremien gibt es, wann und in welchem Rhythmus treffen sie sich? Erstellung eines Jahresplans
- Recherche und Analyse des kommunalen Haushaltsjahres : Wann wird der Haushalt verabschiedet, bis wann müssen Informationen und Stellungnahmen in den Ausschüssen vorliegen?
- Recherche wichtiger Lokalpolitiker*innen: Was sind ihre Expertise, ihre Interessen und Projekte?
- Recherche von kommunalen Beiräten: beispielsweise für Menschen mit Behinderung, für Menschen mit Migrationsgeschichte oder für Senior*innen.
Erfahrungen und Wissen von anderen Netzwerken erfragen
Welche Erfahrungen haben inklusive Netzwerke in anderen Kommunen damit gemacht, die Verwaltung an Bord zu holen? Fragen Sie sie. Inklusions-Netzwerke und Beauftragte für Menschen mit Behinderung finden Sie über Internet-Recherchen.
Beispiele:
Wie Sie Verwaltung und Kommunalpolitiker*innen ansprechen
Zeigen Sie Ihren Ansprechpartner*innen: Ihr Netzwerk kann die Kommune dabei unterstützen, dass die Situation sich verbessert. Versuchen Sie, als Problemlöser*in aufzutreten. Es geht nicht darum, der Kommune aufzuzeigen, was noch nicht so gut läuft in Sachen Inklusion, Partizipation oder Barrierefreiheit. Sondern darum, dass Sie und die Kommune gemeinsam mehr erreichen können.
Bieten Sie der Kommune Ihr Wissen und Ihre Mitarbeit an
Durch Ihre Recherche wird Ihnen klar werden, an welche kommunalen Beschlüsse und Pläne Sie mit Ihrer Netzwerk-Arbeit anknüpfen können. Nutzen Sie dieses Wissen. Machen Sie Verwaltungsmitarbeiter*innen und Lokalpolitiker*innen deutlich: Wir können Sie dabei unterstützen, Maßnahme X umzusetzen. Oder: Unser Netzwerk ist ein kompetenter Partner für Sie, um den Aktionsplan für Inklusion gemeinsam mit der Kommune umzusetzen – wir bieten viele Ressourcen: Fachwissen, Personal und Kontakte.
Einigen Sie sich beispielsweise im Vorfeld einer Stadtrats- oder Ausschuss-Sitzung mit den Mitgliedern Ihrer Steuerungsgruppe darüber, was Sie der Kommune anbieten wollen.
Benennen Sie Zuständige in Ihrem Netzwerk für bestimmte Themen, beispielsweise Wohnen, Kinder/Jugend, Förderung/Finanzierung oder Freizeit/Sport. Diese können Sitzungen der entsprechenden Ausschüsse besuchen und Ansprechpartner*innen für Verwaltungsmitarbeiter*innen, Lokalpolitiker*innen und Journalist*innen für das spezielle Thema sein.
Sie können auch Unterstützung im Detail anbieten:
Schreiben Sie beispielsweise eine E-Mail an ein*e Lokalpolitiker*in, wenn Ihnen aufgefallen ist, dass der jüngste Antrag einer Fraktion im Stadtrat zum Thema Inklusion den Aspekt Leichte Sprache nicht berücksichtigt: „Wir haben im letzten Antrag bemerkt, dass… Wenn Sie Kritik von Verbänden vermeiden möchten, hier ein Tipp von uns: …“
Oder Sie formulieren eine E-Mail an eine*n Dezernt*in oder Amtsleiter*in: „Wir freuen uns, dass Sie in Ihrer aktuellen Beschlussvorlage zum Bauprojekt X Bürgerbeteiligung vorsehen. Wir haben dazu noch folgende Vorschläge…“
Erarbeiten Sie Maßnahmen, die Sie mit der Kommune umsetzen können
Erarbeiten Sie mit Ihrem Netzwerk zwei bis drei konkrete Maßnahmen, die Sie gemeinsam mit der Kommunalverwaltung umsetzen könnten. Schreiben Sie diese Maßnahmen in einem Diskussionspapier auf. Beschreiben Sie sie und erklären Sie, was Sie mit diesen Maßnahmen erreichen wollen. Laden Sie Verwaltungsmitarbeiter*innen und Lokalpolitiker*innen ein, das Papier mit Expert*innen aus Ihrem Netzwerk zu besprechen.
Ein Beispiel für solche Maßnahmen: Sie wollen, dass Ihr Stadtviertel barriereärmer wird. Dafür schlagen Sie vor, dass die Kommune die Bordsteine in Ihrem Stadtviertel absenkt und Verkehrsinseln zum Überqueren der Straße barrierefrei ausbaut. Sie regen an, dass die Kommune sich um Förderung bewirbt, beispielsweise für den Investitionskredit Kommunen der KfW-Bank für Investitionen in kommunale und soziale Infrastruktur. Die KfW-Bank bietet Kredite mit niedrigen Zinsen an.
Außerdem möchten Sie, dass die Bäckereien im Viertel barrierefreie Eingänge bekommen. Dafür sollen mobile Rampen genutzt werden. Sie schlagen der Verwaltung vor, sich mit Ihnen und den Geschäftsinhaber*innen zusammen zu tun und einen Antrag bei der Aktion Mensch für das Förderprogramm #1Barriereweniger zu stellen.
Nachdem Sie mit den Verwaltungsmitarbeiter*innen und den Kommunalpolitiker*innen über die Maßnahmen diskutiert haben, können Sie eine öffentliche Begehung in Ihrem Stadtviertel organisieren. Laden Sie dazu auch die lokalen Medien ein. Zeigen Sie den Vertreter*innen von Verwaltung, Politik und Medien, wo mehr Barrierefreiheit nötig ist und Ihre vorgeschlagenen Maßnahmen viel bewirken würden.
Schlagen Sie eine gemeinsame Bewerbung um Fördergelder vor
Ein gutes Argument, um Vertreter*innen von Kommunen von der Unterstützung Ihres Netzwerks zu überzeugen, ist Geld. Es gibt verschiedene Förderprogramme mit folgender Voraussetzung: Kommunalverwaltungen müssen sich mit sozialen Trägern, Vereinen oder Initiativen zusammentun. So ist das beispielsweise beim Förderprogramm #1Barriereweniger der Aktion Mensch.
Auch bei anderen Fördertöpfen gilt: Kommunalverwaltungen können davon profitieren, wenn sie in Förderanträgen angeben, dass sie vor Ort mit einem Netzwerk zusammenarbeiten. Die Geldgeber*innen sehen dann: Die Kommune hat zusätzliche Ressourcen an Bord geholt, um ein Vorhaben umzusetzen.
Gemeinsam umgesetzt: Stadtplan für Menschen mit Behinderung
Förderdatenbank von Bund, Ländern und Europäischer Union
Fördermöglichkeiten für Ihr Vorhaben finden Sie auch in der Förderdatenbank beim Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Sie können dort nach Stichworten wie Barrierefreiheit oder Inklusion suchen und zusätzlich nach Postleitzahlen.
Bieten Sie Praxis-Checks an
Sie können Mitarbeiter*innen in der Kommunalverwaltung und Lokalpolitiker*innen anbieten: Wir überprüfen für Sie, wie inklusiv bestimmte Maßnahmen sind, die Sie beschlossen haben. Dafür können Sie für die Kommune oder auch mit der Kommune beispielsweise einen Inklusions-Check erstellen. Mit dem Inklusions-Check finden Lokalpolitiker*innen oder Verwaltungsmitarbeiter*innen heraus, wie inklusiv ein Antrag, eine Beschlussvorlage, eine Aktion, Veranstaltung oder Maßnahme ist. So bekommen die Politiker*innen noch mehr Kontakt zu den Menschen vor Ort.
Beispiele für Inklusions-Checks, gefördert von der Aktion Mensch:
- Inklusions-Check der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland (aej) für Kinder- und Jugendarbeit
- Inklusions-Check der Lebenshilfe Dortmund für Freizeitangebote
Engagieren Sie sich aktiv in Ausschüssen
Schlagen Sie Lokalpolitiker*innen vor, dass Sie als Expert*in in einer Ausschuss-Sitzung sprechen können. Auf diese Weise bringen Sie Ihre Themen direkt in die Kommunalpolitik ein. Sie können Einfluss nehmen. Außerdem lernen Sie Lokalpolitiker*innen, Verwaltungsmitarbeiter*innen und weitere Bürger*innen kennen, die für Ihr Vorhaben und Ihr Netzwerk wichtig sind.
Mehr über die Aufgaben von Ausschüssen und Beiräten lesen Sie im Infoblatt: „Wie Kommunen funktionieren: Gremien, Strukturen, Aufgaben“.

Lernen Sie die Sprache der Kommunalverwaltung
Wenn Sie Begriffe und Argumentationen aus dem Bereich der Verwaltung und der Lokalpolitik nutzen, nehmen Ihre Gesprächspartner*innen Sie eher als Expert*in wahr. Sehen Sie dies als Prozess: Je häufiger Sie über die Zeit an Ratssitzungen und Ausschuss-Sitzungen teilnehmen, desto mehr erfahren Sie. Zum Beispiel wie Verwaltungsmitarbeiter*innen und Kommunalpolitiker*innen andere von ihrer Meinung überzeugen, welche Argumente sie vorbringen, welche Fachausdrücke sie nutzen und auf welche gesetzlichen Vorgaben, Anträge und Dokumente sie sich beziehen.
Sie können sich auch Sitzungs-Dokumente im Rats-Informations-System (RIS) anschauen: Dort erfahren Sie, wie Anträge formuliert sind und welche Begründungen in den Anträgen stehen.
Formulieren Sie konkrete Ziele für die Kommune
Für manche Kommunalpolitiker*innen und Verwaltungsmitarbeiter*innen ist Inklusion möglicherweise noch ein abstrakter Begriff. Dann kann es sinnvoll sein, erst einmal davon zu sprechen: Was soll besser werden in Ihrer Kommune durch mehr Inklusion? Sollen mehr Menschen im Stadtzentrum einkaufen (Wirtschaftsförderung)? Sollen mehr Menschen Bus und Bahn fahren (bessere ÖPNV-Auslastung)? Soll es attraktiver werden für ältere Menschen, die Stadt oder Region zu besuchen (Tourismusförderung)? Im weiteren Verlauf der Gespräche können Sie erläutern, was Sie unter Inklusion verstehen. Beschreiben Sie auch, welche Vorteile eine Kommune hat, wenn sie Inklusion fördert.
Ein weiterer Vorteil: Für Sie und Ihre Partner*innen aus der Kommune können sich weitere Möglichkeiten der Finanzierung ergeben, beispielsweise über Wirtschaftsförderprogramme oder Tourismusförderprogramme. Solche Programme bieten unter anderem der Bund und die Bundesländer an.
Halten Sie Kontakt
Bieten Sie Ihren Ansprechpartner*innen immer wieder Informationen zu Ihrem Netzwerk und zu Ihrem Vorhaben an: Berichten Sie, wie der Stand der Dinge ist, ob Sie bald (Teil-)Erfolge feiern können. Laden Sie Ihre Ansprechpartner*innen dazu ein. Erzählen Sie in kurzen Gesprächen oder E-Mails, ob das Projekt gut voran kommt, wie die nächsten Schritte sind und ob Sie möglicherweise weitere Gespräche brauchen. Halten Sie Kontakt. Dann wird es bei Projekt-Ende leichter, neu zu verhandeln.