Geselliger Mittagstisch: Gemeinsam essen, füreinander da sein
Aktualisiert: Oktober 2025
Beim Geselligen Mittagstisch in der rheinland-pfälzischen Verbandsgemeinde Nieder-Olm treffen sich Menschen immer dienstags zum Kochen, Essen und Beisammensein.
Aktiv werden gegen Einsamkeit
Während der Pandemie 2021 wollten Reiner Wissel vom Pflegestützpunkt und Margot Michele, Leiterin des Seniorenbüros der Verbandsgemeinde Nieder-Olm, ein Angebot für hochbetagte Menschen starten, damit diese geistig und körperlich gesund bleiben. Sie fanden in Interviews mit der Zielgruppe heraus, dass sich viele sehr einsam fühlten, manche aßen kaum noch, weil ihnen das Kochen und Essen allein keinen Spaß machte.
Deswegen riefen Reiner Wissel und Margot Michele den Geselligen Mittagstisch als Angebot gegen Einsamkeit ins Leben. Mittlerweile sind Menschen verschiedenen Alters dabei. Helfer*innen und Gäste haben erkannt: Einsamkeit ist ein Thema, das alle betrifft, auch viele jüngere Menschen. Beim gemeinsamen Einkaufen, Kochen und Essen kommen die Menschen ins Gespräch, bringen sich ein und freuen sich über die Gesellschaft. Darüber, was gekocht wird, entscheiden die ehrenamtlichen Helfer*innen und die Gäste gemeinsam. Nach dem Essen gestalten die Gäste den Nachmittag: Sie bringen Spiele und Liederbücher mit oder erzählen sich Geschichten.
Foto/Illustration: VG Nieder-Olm / VG Nieder-Olm
Helfer*innen sind auch Gäste - und umgekehrt
Heute sind Ehrenamtliche und Gäste kaum noch zu unterscheiden. Denn es hat sich bald gezeigt, dass auch viele Helfer*innen die Gemeinschaft und den Zusammenhalt beim Mittagstisch für sich sehr wichtig finden. Auf der anderen Seite wollen sich Gäste ebenfalls für die Gemeinschaft einsetzen und bei der Organisation des Mittagstischs unterstützen. Zurzeit sind 20 Menschen Helfer*innen oder Gäste beim Mittagstisch. Pro Treffen kochen und essen meist zwei bis drei Ehrenamtliche mit zwölf Gästen. Die älteste Helferin wird dieses Jahr 90.
Zusammenhalt in der Gruppe und in der Verbandsgemeinde
Es hat sich eine Gemeinschaft entwickelt, die weit über das Kochen und Essen hinaus geht. Jüngere und Ältere, Helfer*innen und Gäste verabreden sich auch außerhalb des Mittagstischs zu gemeinsamen Aktivitäten. Und rufen sich gegenseitig an, um sich zu erkundigen, ob es der anderen gut geht, oder wenn sie Unterstützung brauchen. Eine Helferin sagt nach ihrem ersten Besuch beim Mittagstisch: „Die Atmosphäre ist unsagbar familiär. Mir kam es vor, als käme ich in eine Familie.“
Darüber hinaus sprechen Helfer*innen und Teilnehmer*innen immer auch neue Menschen aus der Verbandsgemeinde an, von denen sie denken, dass der Mittagstisch ihnen gefallen würde. „Die Nachbarschaftshilfe in der Verbandsgemeinde hat zugenommen, seit es den Mittagstisch gibt“, stellt Margot Michele vom Seniorenbüro fest.
Auch andere gesellige Aktionen leben wieder auf
Durch den Mittagstisch erfahren Helfer*innen und Gäste von weiteren Angeboten, wie dem Tanztee oder Bastelnachmittagen. Sie nehmen teil oder engagieren sich ehrenamtlich. „Dadurch haben diese und weitere Veranstaltungen des Arbeitskreises Demenzfreundliche Kommune wieder an Fahrt aufgenommen“, sagt Margot Michele. Der Arbeitskreis unterstützt und empowert Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen.
Ehrenamtliche und Gäste organisieren sich selbstständig
Die Treffen zum Geselligen Mittagstisch gestalten die Helfer*innen mittlerweile selbstständig. Reiner Wissel und Margot Michele unterstützen im Hintergrund. Sie organisieren die monatlichen Besprechungen mit den Helfer*innen, auf denen sich alle austauschen, über Anliegen und Wünsche sprechen sowie Essens- und Dienstpläne festlegen.
Verbandsgemeinde unterstützt das Projekt
Die Verbandsgemeinde Nieder-Olm sieht das inklusive Angebot als wichtiges Projekt für das Leben in der Kommune: Die Kosten für Lebensmittel und für die Pauschalen, die die Ehrenamtlichen erhalten, sind im Haushalt der Verbandsgemeinde bereits eingeplant. Und neue Ehrenamtliche und Gäste jeden Alters sind jederzeit willkommen.
Neues Angebot „Tisch der Vielfalt“ erreicht weitere Zielgruppen
Seit Sommer 2025 gibt es in der Verbandsgemeinde ein weiteres Angebot für gemeinsames Kochen und Essen: den Tisch der Vielfalt. Alle zwei Monate treffen sich Menschen mit und ohne Einwanderungsgeschichte, mit und ohne Behinderung, Student*innen und Senior*innen zum gemeinsamen Abendessen in der Gemeinde Stadecken-Elsheim.
Entstanden ist die Idee in der Arbeitsgruppe Freizeit von Kommune Inklusiv VG Nieder-Olm: Eine Gruppe Ehrenamtlicher sprach mit Berliner Aktiven der Initiative „Über den Tellerrand “ und holte sich Tipps und Anregungen. Die Initiative will Begegnungen fördern, beispielsweise auf inklusiven Sport- und Kochveranstaltungen.
Teil von „Über den Tellerrand“ werden
Leona Ebling ist Integrationsmanagerin der Verbandsgemeinde Nieder-Olm. Sie organisiert als Hauptamtliche den Tisch der Vielfalt, gemeinsam mit einer Gruppe von sechs bis acht Ehrenamtlichen: Student*innen, Berufstätigen Mitte 40 und Ruheständler*innen. Das Team plant, was es beim nächsten Tisch der Vielfalt zu essen gibt und wer die Zutaten einkauft. Bei jedem Treffen soll ein Gericht aus einem anderen Land gekocht werden.
Ziel der Gruppe ist es, eine offizielle „Über den Tellerrand“-Gemeinschaft und damit Teil der Bundes-Initiative zu werden. Dann können die Aktiven aus der Verbandsgemeinde Nieder-Olm sich im Netzwerk mit anderen Städten austauschen und bekommen Unterstützung.
Gemeinsames Kochen und Essen baut Barrieren ab
Am Tisch der Vielfalt treffen sich Menschen aus Afghanistan, dem Iran, Syrien oder der Ukraine, die erst seit wenigen Jahren in Deutschland sind, mit Menschen, die schon lange in der Verbandsgemeinde leben. Das baue Barrieren ab, sagt Ebling. Zwischen Geflüchteten und Einheimischen, Menschen mit und oder Behinderung. Sie erzählen aus ihrem Leben, von ihren Erfahrungen und lernen einander besser kennen.
Unterschiedliche Menschen begegnen sich
„Ein Gast hat erzählt, wie er allein übers Mittelmeer geflohen ist“, sagt Leona Ebling. „Seine gesamte Familie ist noch im Heimatland. Klar, wir lesen und hören solche Geschichten in den Nachrichten. Doch einen Menschen persönlich zu treffen, der so etwas durchgemacht hat - das bewegt noch einmal mehr.“
Ob Mittagstisch oder Abendessen: Gemeinsame Mahlzeiten bringen unterschiedliche Menschen zusammen. Zusammen planen, einkaufen, kochen, essen, aufräumen – all das verbindet und kann das Gefühl stärken: Wir sind eine Gemeinschaft.
10 gute Gründe für Inklusion
Grund 2: Lebensqualität verbessern
Inklusion verbessert die Lebensqualität in Städten und Gemeinden.