„Einfache Sprache ist eine Art Anleitung zum verständlichen Schreiben.“
Die Redakteurin und Expertin für Einfache Sprache Constanze Lopez erzählt im April 2025, warum es sich lohnt, einen klaren und einfachen Schreib-Stil zu lernen und zu trainieren.
Warum brauchen wir Einfache Sprache?
Weil fast alle sie verstehen – ungefähr 90 bis 95 Prozent der Menschen. Einfache Sprache ist eine Art Anleitung zum verständlichen Schreiben. Ungefähr 18 Millionen Erwachsene in Deutschland können schlechter lesen als ein Kind, das die vierte Klasse abgeschlossen hat. Einfache Sprache ermöglicht viel mehr Menschen Zugang zu Gesundheit, Jobs, Beteiligung. Ich würde sagen, bestimmt 50 Prozent der Bevölkerung brauchen Einfache Sprache. Es profitieren aber auch Menschen, die gut lesen können. Im Alltag sind wir oft konfrontiert mit Fachsprachen wie Verwaltungssprache, juristischer oder medizinischer Sprache. Da verstehen selbst gute Leser*innen wenig bis gar nichts. Unnötig komplizierte Texte, wie Arztbriefe, Anträge, allgemeine Geschäftsbedingungen oder die Steuererklärung, klauen uns Zeit und Energie.
Wie unterscheiden sich Leichte Sprache und Einfache Sprache?
Die Leichte Sprache ist eine sehr stark vereinfachte eigene Sprache. Zielgruppe sind vor allem Menschen mit Lernschwierigkeiten. Die Sätze sind sehr kurz, Zeichnungen begleiten den Text. Der Text ist stark strukturiert durch Absätze, Aufzählungen und Stichpunkte. Menschen, die nicht zur Zielgruppe gehören, merken sofort, wenn sie einen Text in Leichter Sprache lesen. Sie spüren eine Irritation. Bei Texten in Einfacher Sprache ist das anders. Menschen mit ausreichender bis sehr guter Lesekompetenz kommen ohne große Anstrengung oder Irritation durch Texte in Einfacher Sprache und verstehen den Inhalt sofort. Übrigens: Die meisten Regeln der Einfachen Sprache entsprechen denen für gute Texte im Journalismus.
Sie sind Übersetzerin und Trainerin für Einfache Sprache. Warum sollte ich Einfache Sprache lernen?
Der Journalist und Sprach-Experte Wolf Schneider hat gesagt: „Einer muss sich plagen, entweder der Leser oder der Schreiber“. Ich finde, jede und jeder sollte lernen, wie man sich klar ausdrückt und attraktive Texte schreibt, die alle verstehen. Ich glaube, insgesamt würde dann die Kommunikation viel besser funktionieren. Wer sich mit Einfacher Sprache beschäftigt, lernt Sprache nochmal aus einem ganz anderen Blickwinkel kennen. Er oder sie macht sich Gedanken über die Bedeutung von Wörtern und wie sie wirken, über die Struktur eines Textes und vor allem über die Zielgruppe des Textes: die Leser*innen.
Was macht denn Texte kompliziert und schwer zu verstehen?
Vier Angewohnheiten machen Texte unnötig kompliziert: Nominalstil, Passivkonstruktion, viele Adjektive und Schachtelsätze. Wer diese vier Sachen vermeidet, hat die größten Schwierigkeiten bereits aus dem Text geräumt. Gerade für Menschen mit Deutsch als Fremdsprache oder Zweitsprache sind Schachtelsätze sehr schwierig. Im Deutschen haben wir zudem Verben, die sich trennen lassen. Dann ist ein Satz wie ein Rätsel.
Haben Sie Beispiele dafür, wie Texte verständlicher werden?
Nutzen Sie den Verbalstil: „Gäste begrüßen“ statt „Begrüßung der Gäste“ oder „miteinander sprechen“ statt „in den Austausch gehen“. Und formulieren Sie aktiv: „Wir sind zusammen spazieren gegangen. Es hat allen Spaß gemacht.“ statt „Der Spaziergang wurde von allen sehr positiv aufgenommen“. Außerdem hilft es, wenn Sie pro Satz nur einen Nebensatz einbauen: „Ich möchte morgen spazieren gehen, wenn das Wetter gut ist. Vorher muss ich noch mit meinem Kollegen sprechen.“ statt „Ich möchte, wenn das Wetter gut ist, morgen, nachdem ich mit meinem Kollegen gesprochen habe, spazieren gehen.“ Und noch ein Beispiel aus einem Abo-Vertrag: „Wenn das Konto die erforderliche Deckung nicht aufweist, besteht seitens des Kreditinstituts keine Verpflichtung zur Einlösung der Lastschrift.“ Heißt übersetzt in Einfache Sprache: „Wenn zu wenig Geld auf dem Konto ist, muss die Bank den Rechnungsbetrag nicht überweisen.“
Seit einem Jahr gibt es übrigens ein einheitliches Regelwerk für Einfache Sprache . Die DIN-Norm 8581-1 gibt Empfehlungen und unterstützt Autor*innen beim Verfassen verständlicher Texte.
Welche Vorbehalte gegen Einfache Sprache begegnen Ihnen?
Die Angst, dass etwas verloren geht: Inhalt, Zusammenhänge und auch die schöne literarische Sprache. Ich finde aber, wir gewinnen durch die Einfache Sprache etwas dazu. Es geht ja um Nutztexte. Literarische Texte soll es natürlich weiter geben. Es darf auch weiterhin komplizierte Zeitungen geben mit hohem Schriftsprachen-Niveau. Es geht gar nicht darum, das abzuschaffen. Es geht darum, mit der Einfachen Sprache etwas Neues zu ergänzen, damit mehr Menschen Zugang haben zu Informationen und Wissen. Im Moment ist es so, dass nur die Bild-Zeitung in etwa das Sprachniveau der Einfachen Sprache trifft. Ich finde das fatal.
Ist es einfach, Einfache Sprache zu lernen?
Ja und nein. Die Regeln sind überschaubar und es macht Spaß, Texte verständlicher zu formulieren. Es kostet aber auch viel Zeit, man muss es üben und sich mehr Gedanken machen beim Texten. Automatisch schreibt kaum jemand einfache Sätze. Aber die Mühe lohnt sich.
Mehr erfahren über Constanze Lopez: www.einfacheSpracheBONN.de