Beispiel Pfaffenhofen – kostenlose Stadtbusse für alle

Der Autoverkehr in Pfaffenhofen ist für alle eine große Belastung. In kaum einer anderen Stadt in Deutschland gibt es so viele Autos: „Auf 1.000 Einwohner kommen 1.016 Autos“, berichtet Matthias Stocker von den Stadtwerken Pfaffenhofen. Ständig stehen Menschen im Stau und finden keine Parkplätze. Es musste etwas passieren. „Seit 2018 bieten wir in Pfaffenhofen kostenlose Fahrten mit unseren Stadtbussen an“, so Stocker. „Zu diesem Zeitpunkt waren acht Stadtbuslinien, zusätzlich eine Kleinbuslinie und ein Rufbusservice im täglichen Betrieb. Innerhalb des ersten Jahres haben sich die Fahrgastzahlen um fast 200 Prozent erhöht.“ Ein voller Erfolg.

Mehr Haltestellen, weniger Wartezeit und mehr Service

Grund für den Erfolg war vermutlich auch, dass die Stadt noch viel weiter gedacht hat als nur an den Preis. „Die Busse fahren jetzt größtenteils alle 30 Minuten, statt wie vorher nur einmal in der Stunde. Wir haben mehr Haltestellen, Sitzbänke und Wartehäuschen aufgebaut, neue Gebiete eingebunden, und die Busse fahren abends eine Stunde länger“, sagt Stocker. Zusätzlich installierte die Stadt am Bahnhof und im Stadtzentrum große LED-Tafeln. Auf diesen Tafeln können Fahrgäste aktuelle Informationen zu Fahrzeiten, Umleitungen oder Fahrplanänderungen ablesen. Außerdem sind alle Stadtbusse Niederflurbusse, damit Familien mit Kinderwagen, Rollstuhlfahrer*innen oder Senior*innen mit Rollator leicht in die Busse einsteigen können.

Ein Stadtbus hält an einer Bushaltestelle in Pfaffenhofen

Kostenlos Bus fahren – eine große Erleichterung für Senior*innen

„Ich finde den Stadtbus grandios und fahre sehr gern damit“, sagt die 77-jährige Pfaffenhoferin Dagmar Völkl. „Eine Haltestelle ist direkt vor meiner Haustür und ich komme fast überall hin: zum Beispiel zum Einkaufen in die Stadt oder zum Friedhof, zum Grab meines verstorbenen Mannes.“ Auch wenn sie nicht überall bis vor die Eingangstür kommt, „ein paar Meter laufen schadet ja auch nicht“, sagt Dagmar Völkl lachend. Die Seniorin fährt auch manchmal mit anderen Linien und freut sich, die Stadt von einer anderen Seite zu sehen. Für sie ist es eine große Erleichterung, dass das Busfahren nichts kostet. „Wenn man keine so gute Rente bekommt, dann muss man schon auch rechnen, was so eine Busfahrkarte oder Monatskarte kostet.“ In Pfaffenhofen muss sie sich diese Gedanken nicht machen. Sie fährt einfach, wann immer sie will. 

Ehrenamtlich organisierter Seniorenbus ergänzt das Stadtbus-Angebot

Um Senior*innen, die nur noch wenige Meter laufen können, kümmern sich seit Mai 2019 Verena und Adolf Kiss-Lohwasser. Das Ehepaar engagiert sich im Stadtrat, Verena Kiss-Lohwasser ist außerdem Referentin für Senioren- und Behindertenangelegenheiten. Sie und ihr Mann hörten genau hin, als sich einige Senior*innen darüber beschwerten, dass Haltestellen so weit von ihrer Wohnung entfernt seien. „Daraufhin hatte meine Frau die Idee für den Senioren-Rufbus“, so Adolf Lohwasser.

Durch Spenden der örtlichen Kleiderkammer, der Arbeiterwohlfahrt und der SPD baute das Ehepaar Lohwasser den ehrenamtlich organisierten Senioren-Rufbus auf. Das Besondere an diesem Rufbus-Service: Der Bus fährt bis direkt vor die Haustür. Anfangs fuhr der Bus dienstags und mittwochs. Nach kurzer Zeit merkten Verena und Adolf Kiss-Lohwasser jedoch, dass zwei Tage gar nicht notwendig waren. „Viele Senioren wollen vor allem zum Wochenmarkt am Dienstag“, so Adolf Lohwasser, der gleichzeitig einer der Rufbusfahrer ist. Mittlerweile richten viele Seniorinnen und Senioren ihre Arzttermine nach den Rufbuszeiten zwischen 8 und 14 Uhr aus.

Adolf Lohwasser ist immer mit einem weiteren Fahrer unterwegs: „Einer fährt und der andere Fahrer organisiert die Abholzeiten.“ Mit etwa 20 Stammkunden und circa 30 Fahrten pro Rufbus-Schicht ist der Seniorenbus ein voller Erfolg. Besonders ältere Menschen, die nur eine geringe Rente haben, freuen sich sehr über das kostenlose Angebot. Denn Einkäufe dauerhaft mit dem Taxi nach Hause fahren zu lassen, ist für einige zu teuer. Der Erfolg liegt vielleicht auch daran, dass Adolf Lohwasser und sein Beifahrer die Einkäufe bis zur Haustür tragen helfen. Sie fahren die Senior*innen auch mal mit dem eigenen Auto, wenn die einen dringenden Termin außerhalb der Rufbuszeiten haben. 

Männer und Frauen stehen vor einem Seniorenbustaxi

Der Nacht-Rufbus ist längst Teil des Verkehrskonzepts

Jugendliche und junge Erwachsene aus Pfaffenhofen haben schon vor langer Zeit selbst dafür gesorgt, dass auch an sie gedacht wird. „Vor kurzem hatten wir 10-jähriges Jubiläum für den Rufbus Linie Nacht“, sagt Manuel Hummler, Mitglied des Jugendparlaments Pfaffenhofen. Seine Jugendparlament-Vorgänger*innen machten sich damals für einen Bus für Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 26 Jahren stark. Der Nachtbus fährt seitdem immer freitags und samstags von 19 Uhr bis 3 Uhr in der Nacht und wird stark genutzt.

Unabhängigkeit und Sicherheit für junge Menschen

Die beiden Jugendparlamentarier*innen Pia Huber und Manuel Hummler waren damals zwar noch nicht im Jugendparlament. Doch die Gründe für den Rufbus Linie Nacht seien auch heute noch dieselben: „Jugendliche wollen unabhängig und sicher ihre Freizeit gestalten können“, so der 22-jährige Informatikstudent Hummler. „Es ist schwer, jemanden zu finden, der einen nachts abholen kann oder will.“ Außerdem spielt auch Alkohol eine Rolle. Da gebe es dann immer die Frage „Kann ich nach einem oder zwei Bier noch sicher fahren?“, so die beiden Jugendparlamentarier*innen. Pia Huber wohnt außerdem in einem sehr kleinen und abgelegenen Dorf mit nur ein paar Dutzend Einwohnern. „Die Straße, die nach Plöcking führt, ist schmal und abgelegen. Da braucht einem nur einmal ein Reh vors Auto zu rennen“, sagt sie. „Da kommt dann niemand so schnell an dieser Straße vorbei und kann helfen.“ Der Nachtbus ist dagegen immer mit zwei Personen besetzt: Fahrer*in und Beifahrer*in. Außerdem gibt es zwei Schichten, eine von 19 Uhr bis 23 Uhr und eine zweite von 23 Uhr bis 3 Uhr. „Schließlich sollen auch die Fahrer*innen und Beifahrer*innen sicher und nicht übermüdet unterwegs sein“, sagt Hummler, der auch selbst Rufbus fährt.

Die Stadt unterstützt das ehrenamtliche Engagement

Fahrer*innen und Beifahrer*innen besetzen die zwei Schichten pro Nacht ehrenamtlich. „Die Stadt Pfaffenhofen unterstützt uns dabei“, erklärt die 19-jährige Landwirtschaftsstudentin Pia Huber. „Es gibt eine halbe Stelle in der Stadt, die uns bei der Organisation hilft. Die Stadt bezahlt außerdem Tankkosten, Reparaturen und die Ausbildung für den Personenbeförderungsschein, den alle Nachtbusfahrer*innen brauchen.“ Kostenlose Essensmarken für das jährliche Volksfest und ein „Rufbus-Wochenende“, bei dem alle Rufbusfahrer*innen und Beifahrer*innen gemeinsam wandern, schwimmen gehen oder spielen, gebe es als besonderes Dankeschön.

Ein blauer Kleinbus mit der Aufschrift Rufbus steht vor einem großen Gebäude

Rufbusse noch nicht barrierefrei

Auch wenn sich das städtische Verkehrskonzept von Pfaffenhofen, ergänzt durch ein starkes Ehrenamt, für viele schon sehr gut anhört, einen Wermutstropfen gibt es doch: Rollstuhlfahrer*innen können bisher nur den Stadtbus nutzen. Die Rufbusse für die Außenbezirke, der Seniorenbus und der Rufbus Linie Nacht sind nicht barrierefrei.

Die Stadt will das Verkehrskonzept ab 2022 weiterentwickeln

Das Projekt kostenloser Stadtbus sollte zunächst drei Jahre laufen. Doch schon nach eineinhalb Jahren beschloss der 2020 wiedergewählte Stadtrat ein Anschluss-Konzept. „Ab 2022 sollen die Busse in der Innenstadt noch öfter fahren: Alle Linien mindestens im 30-Minuten-Takt, die Linien mit den meisten Fahrgästen alle 20 Minuten“, erklärt Stocker. „Außerdem wollen wir die Bus-Zug-Anbindung besser machen: Gerade die vielen Pendler*innen nach Ingolstadt oder München sollen mit den Stadtbussen eine echte Alternative für das eigene Auto bekommen.“ Und das Busfahren soll weiterhin kostenlos bleiben.

Taxileuchte mit der Aufschrift Rufbus

Preise und Auszeichnungen für lebenswerte und nachhaltige Stadt Pfaffenhofen

Pfaffenhofen zeigt deutlich, wie ein Verkehrskonzept, das alle Menschen mitdenkt, zu einer großen Zufriedenheit und einer besseren Lebensqualität führen kann. Nicht umsonst wurde die Stadt schon beim LivCom-Award 2011 zur lebenswertesten Stadt bis 75.000 Einwohner gewählt. 2013 gewann sie den deutschen Nachhaltigkeitspreis 2013, 2020 ist sie unter den Top 3 gelandet. Da wundert es auch nicht, dass der Jugendsender des Bayerischen Rundfunks findet, dass „Pfaffenhofen die coolste bayerische Kleinstadt“ ist.

Barrierefreiheit im Öffentlichen Nahverkehr
Bus- und Bahnfahrer*innen müssen auf Fahrgäste mit Behinderung eingestellt sein. Das entsprechende Wissen können sie sich in Sensibilisierungsseminaren erwerben, die seit 2018 Pflicht sind.

10 gute Gründe für Inklusion

Grund 3: Demokratie fördern

Inklusion stärkt die Demokratie.