Empowerment und Partizipation

Das Ziel von Kommune Inklusiv ist: In allen Städten und Gemeinden können alle Menschen am gesellschaftlichen Leben ganz selbstverständlich gleichberechtigt und selbstbestimmt teilnehmen. Damit Inklusion in der Gesellschaft selbstverständlich wird, braucht es das Engagement aller Menschen vor Ort. Wenn sie partizipieren – das heißt sich mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten für ihre eigenen Interessen und für ihr Umfeld einsetzen –, können sie Politik beeinflussen und Gesellschaft verändern.

Manche Menschen brauchen Ermutigung oder Unterstützung, damit sie sich für ihre Bedürfnisse einsetzen und an Partizipationsprozessen teilnehmen können. Manche Akteur*innen müssen davon überzeugt werden, dass auch sie Empowerment brauchen, um sich für eine inklusive Gesellschaft einsetzen zu können: beispielsweise Fachleute und Entscheider*innen aus Politik, Verwaltung und Unternehmen.

Die Empowerment- und Partizipations-Expertin Prof. Dr. Annika Frahsa erzählt im Interview mit der Aktion Mensch, warum auch Profis und Entscheidungsträger*innen in einem Empowerment-Prozess mehr Handlungsmöglichkeiten und neue Kompetenzen gewinnen.

Es gibt verschiedene Empowerment-Methoden und -Prozesse, bei denen Bürger*innen stark gemacht werden für einen Austausch auf Augenhöhe mit Entscheidungsträger*innen – und andersherum.

Partizipatives Netzwerk-Mapping: Gemeinsam Kontakte finden und Netzwerke stärken

Beim partizipativen Netzwerk-Mapping werden die Teilnehmer*innen in Einzelinterviews oder in der Gruppe gefragt: Welche Kontakte haben Sie? Und: Auf welche Weise haben Sie mit diesen Personen Kontakt? Haben Sie mit ihnen zusammengearbeitet? Haben Sie ein Seminar bei ihnen gemacht? Geben sie Ihnen Geld? Haben Sie Konflikte mit diesen Personen?

Die Kontakte und die Verbindungen zwischen den Kontakten werden auf einer Karte verzeichnet.

Anschließend machen die Teilnehmer*innen auf der Karte mit aufeinandergestapelten Spielsteinen deutlich, wie viel Einfluss diese Personen ihrer Meinung nach haben.

Die fertige Karte soll Antworten geben auf eine Fragestellung, auf die die Teilnehmer*innen sich vor dem Prozess verständigt haben. Beispielsweise: Wie sieht mein persönliches Netzwerk aus? Wer kann mir in einer herausfordernden Situation wie Langzeitarbeitslosigkeit helfen? Oder: Welche Ressourcen sind in unserem inklusiven Netzwerk vorhanden?

Persönliches Empowerment: Partizipatives Netzwerk-Mapping kann Menschen vor Augen führen, dass sie mehr Einfluss haben als gedacht. Es kann beispielsweise deutlich machen, wie viele Kontakte jede*r Einzelne hat – dass er oder sie bereits ein Netzwerk hat, was ihn oder sie stärken und tragen kann. Das Netzwerk-Mapping kann auch zeigen, welche wichtige Funktion jede*r Einzelne in einem Netzwerk hat. Manchmal ist Netzwerk-Mitgliedern nicht bewusst, was sie zur Netzwerkarbeit beitragen. Das Mapping zeigt dann beispielsweise, dass sie besonders gut darin sind, neue Kontakte herzustellen, bestehende Beziehungen zu pflegen, mögliche Geldgeber*innen anzusprechen oder Räume zu organisieren.

Aktiv werden in der Gruppe: Die Gruppe diskutiert die Ergebnisse des Netzwerks-Mappings. Die Teilnehmer*innen arbeiten gemeinsam beispielsweise heraus: Wie kann welcher Kontakt einzelnen Gruppenmitgliedern, dem gesamten Netzwerk oder dem Projekt weiterhelfen? Welche weiteren Personen oder Ressourcen brauchen wir noch in unserem Netzwerk? Zusammen können die Teilnehmer*innen das Netzwerk weiterentwickeln und neue Ziele besprechen.

Mehr über die Methode partizipatives Netzwerk-Mapping lesen: "Infoblatt Partizipatives Netzwerk-Mapping" (PDF)

Porträt Annika Frahsa

Nachgefragt bei

Annika Frahsa, Professorin für sozial-räumliche Gesundheitssystemforschung Universität Bern sowie Empowerment- und Partizipations-Expertin beim Institut für Sportwissenschaft der Universität Tübingen

Community Organizing: Gemeinschaften gestalten ihre Lebenswelt mit

Als Gemeinschaft sind Menschen stärker und können ihre Interessen und Wünsche beispielsweise gegenüber politischen Entscheider*innen äußern und umsetzen.

Das ist der Gedanke hinter Community Organizing. Community ist der englische Begriff für eine soziale Gemeinschaft. Ziel ist, dass Bürger*innen ihre Stadt oder ihr Viertel selbstbestimmt mitgestalten. Sie bilden eine Bürgerorganisation. Diese Bürgerplattform soll zu einer Verhandlungspartner*in für Entscheidungsträger*innen vor Ort werden. Sie soll sich um alles kümmern, was die Menschen in ihrer Kommune oder ihrem Viertel gern ändern würden und was ihre Lebensumstände verbessert.

Persönliches Empowerment: Entscheidend für die Aktionen der Bürgerplattform sind die Bedürfnisse der Menschen aus verschiedenen sozialen Gemeinschaften – beispielsweise der Angehörigen unterschiedlicher Religionsgemeinschaften, der Bewohner*innen verschiedener Nachbarschaften im Viertel oder der Mitglieder von Vereinen und Initiativen. Dafür führt ein*e hauptamtliche*r Organizer*in in einem ersten Schritt viele Einzelgespräche und fragt nach Problemen, Wünschen und persönlicher Meinung.

Aktiv werden in der Gruppe: Nach der Phase der Einzelgespräche geht es um den Aufbau von Beziehungen zwischen den Menschen aus den verschiedenen Gemeinschaften: Sie treffen sich, um über die Ergebnisse aus den Gesprächen zu diskutieren und Themen festzulegen. Sie fassen Vertrauen zueinander, es bilden sich Arbeitsgruppen.

Politisch aktiv werden: Durch den Prozess sollen sich gesellschaftliche Strukturen ändern. Die Bürger*innen erfahren: Sie haben die Macht, ihre Lebensumstände zu verbessern. Sie können für ihre eigenen Interessen eintreten und mit Entscheider*innen auf Augenhöhe sprechen.

In Deutschland gibt es Bürgerplattformen nach dem Prinzip des Community Organizing beispielsweise in Berlin, Köln und Duisburg. Sie setzen sich dafür ein, dass Wohngebiete saniert und Spielplätze gebaut werden, dass der Lkw-Verkehr nicht mehr durchs Viertel fährt, dass das Jobcenter mehr Mitarbeiter*innen einstellt, dass mehr Ärzt*innen eine Praxis im Viertel aufmachen oder eine Hochschule in den Kiez zieht.

Mehr erfahren über die Methode Community Organizing: "Infoblatt Methoden der Partizipation" (PDF)

Mehr lesen über die Bürgerplattform im Kölner Norden

Empowerment und Partizipation verstärken sich gegenseitig

Empowerment ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Menschen sich an politischen und gesellschaftlichen Projekten beteiligen. Gleichzeitig fühlen sich Menschen zusätzlich bestätigt und ermutigt, wenn sie durch Partizipation ein Problem lösen oder ihre Lebensumstände verbessern können.

Kooperative Planung: Entscheider*innen und Lebenswelt-Expert*innen gemeinsam empowern

Bei der kooperativen Projektplanung, mit der auch Kommune Inklusiv arbeitet, werden Menschen aus den Zielgruppen als Lebenswelt-Expert*innen von Anfang an einbezogen. Die kooperative Planung kann nur mit ihren Erfahrungen und ihrem Wissen erfolgreich sein. Die Erfahrungen mit der kooperativen Planung zeigen außerdem, dass dieser Prozess die Menschen zusätzlich in ihrem Selbstbewusstsein stärkt. Denn sie erfahren, dass ihre Meinung zählt und dass sie etwas bewegen können.

Persönliches Empowerment: Um Menschen aus den Zielgruppen für diesen Partizipationsprozess zu empowern, sprechen die Leiter*innen der kooperativen Planung mehrmals mit ihnen. Sie fragen sie nach ihren Wünschen, ihren Erfahrungen und nach ihrer Meinung. Auch mit Politiker*innen, Entscheider*innen und Fachleuten vor Ort sprechen die Projektleiter*innen und empowern sie für die Zusammenarbeit mit den Lebenswelt-Expert*innen.

Aktiv werden in der Gruppe: Die Projektleiter*innen arbeiten jeweils mit den Lebenswelt-Expert*innen sowie mit den Profis in getrennten Workshops heraus, welche Ressourcen jede*r von ihnen in den Prozess einbringen kann. In Arbeitsgruppen kommen alle Beteiligte gemeinsam ins Tun.

Politisch aktiv werden: Zusammen mit Expert*innen aus Politik, Verwaltung und Sozialverbänden suchen die Lebenswelt-Expert*innen nach Ursachen von Problemen und entwickeln Lösungsideen. Sie setzen sie auch mit um.

Mehr über die kooperative Planung lesen

Luftaufnahme von Köln Chorweiler

Gutes Beispiel: Community Organizing im Kölner Norden

Im Kölner Norden engagiert sich seit 2015 die Bürgerplattform STARK! dafür, das Leben aller Menschen besser zu machen. Mit dabei sind Kirchengemeinden, Moscheen, afrikanische Kulturvereine und Vereine, in denen Jugendliche oder Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte aktiv sind.