Workshop „Mit Technologie Vielfalt gestalten“

Leitung: Jun.-Prof. Dr. Ingo Bosse, Dr. Bastian Pelka

Gängige Studien zur Mediennutzung berücksichtigen in der Regel nicht die Vielfalt der Menschen und die neuen technischen Möglichkeiten. Die Aktion Mensch gab im Workshop Impulse zu diesem Thema.

Vorführung des 3D Druckers

Eine Studie der ARD beruft sich beispielsweise auf Ergebnisse von Telefoninterviews. Menschen, die Gebärdensprache sprechen, oder junge Menschen nutzen jedoch kaum noch ein Festnetztelefon. Die Mediennutzungsstudie der Aktion Mensch zeigt ein viel größeres Spektrum.

Ingo Bosse, einer der Autoren dieser Studie, ist Juniorprofessor für motorisch-körperliche Entwicklung und neue Medien an der Technischen Universität Dortmund. Er hat herausgefunden, dass Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen auch Medien unterschiedlich nutzen. Die neuen Technologien bieten mehr Möglichkeiten für die individuellen Anforderungen. So entstand auch die Idee zum Projekt SELFMADE.

Individuelle Hilfsmittel von SELFMADE

In dem Projekt, das Ingo Bosse leitet, werden individuelle Hilfsmittel für Menschen mit Behinderung mit einem 3-D-Drucker erstellt. „Zu uns kommen Menschen, die ein Hilfsmittel suchen, das es im Handel nicht gibt oder das die Krankenkasse nicht bezahlt“, so Bosse. Mit einem 3-D-Drucker kann man diese Hilfsmittel genau auf den Bedarf eines einzelnen Menschen anpassen und ausdrucken.

Erst der Entwurf, dann der 3-D-Druck

Mithilfe eines 3-D-Druckers kann man Gegenstände dreidimensional herstellen. Bevor man ein Hilfsmittel ausdruckt, muss es am Computer dreidimensional entworfen werden. Das Druckmaterial sind meist Kunststoffe, Kunstharze, Keramiken oder Metalle. So wird zum Beispiel ein Kunststoff wie ein Faden in den Drucker gegeben. Der Drucker verflüssigt den Kunststoff und druckt ihn dann in der gewünschten Form Schicht für Schicht aufeinander, bis der Gegenstand fertig ausgedruckt ist. Das 3-D-Drucken dauert relativ lange. Bis zum Beispiel eine Tasse ausgedruckt ist, kann es bis zu sechs Stunden dauern.

Der Referent Ingo Bosse steht neben einem Pult auf dem 2 Tassen stehen, die mit dem 3D Drucker gemacht wurden

Inklusiver Begegnungsort

„Wir sehen uns aber nicht als Dienstleister“, sagte Bosse, „sondern als inklusiven Begegnungsort.“ Denn man kann nicht einfach anrufen und Produkte bestellen. Wer ein Hilfsmittel braucht, kommt meist zur offenen Sprechstunde nach Dortmund. Dort hilft ein Techniker, eine individuelle Lösung für den entsprechenden Bedarf zu finden. Die inklusiven Teams arbeiten dann an deren Optimierung. „Der erste Entwurf ist nicht immer sofort so, wie wir uns das vorgestellt haben“, so Bosse. „Manchmal muss das Material etwas robuster werden. Becher für Getränke haben wir erst mit einem und dann mit zwei Henkeln entwickelt.“

Gitarrenplektron-Prothese oder individueller Joystick – Vieles ist möglich

Das Projekt ist bisher sehr gut angenommen worden: So konnte zum Beispiel für einen Jungen eine Handprothese mit Gitarrenplektron ausgedruckt werden. Jetzt kann er Gitarre spielen, was mit seiner herkömmlichen Prothese nicht möglich war. Oder ein Mann, der seinen elektrischen Rollstuhl mit einem kleinen Joystick steuert, wollte statt des Hebels lieber einen Ball, der viel einfacher zu handhaben ist. Es gibt aber nur einen standardisierten Ball für Erwachsene, der nicht passte. Gemeinsam mit den SELFMADE-Technikern entwickelte er einen individuell auf seine Handgröße gefertigten Ball.

Förderung vom Bundesministerium

Ingo Bosse und sein Team können diesen Menschen kostenlos helfen, da das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird. Die Anschaffung eines 3-D-Druckers ist zwar mit etwa 3.000 bis 4.000 Euro recht teuer, doch das Druckmaterial dafür sehr günstig. Eine ausgedruckte Tasse etwa kostet nur wenige Cent. Auch die Computerprogramme, mit denen man die Produkte entwickelt, sind kostenlos.

Anfangsschwierigkeiten überwunden

Besonders am Anfang hatten Ingo Bosse und das SELFMADE-Team einige Hürden zu nehmen: „Wenn Techniker und Pädagogen zusammenkommen, müssen sie erst einmal lernen, eine gemeinsame Sprache zu finden.“ Techniker kennen sich beim Thema Barrierefreiheit nicht immer aus. Und es gibt auch nicht so viele Menschen, die sofort einen 3-D-Drucker und die dazugehörige Software bedienen können. „Es war für uns alle ein Lernprozess“, so Bosse. Wichtig war ihm und seinem Team jedoch seit Beginn des Projekts, dass Techniker und Menschen mit Behinderung gemeinsam an einer Lösung arbeiten. „International gibt es nicht so viele ähnliche Projekte, bei denen inklusive Teams gemeinsam arbeiten“, berichtete Bosse.

Ein Mann schaut sich den 3D Drucker genau an

Sanitätshäuser als Partner

Eine zunächst vermutetes Problem löste sich relativ schnell. „Ich dachte, dass es schwer werden könnte, Partner aus der Wirtschaft zu gewinnen“, erinnert sich Bosse. „Sanitätshäuser hätten in unserem Projekt leicht einen Konkurrenten sehen können.“ Doch stattdessen konnte Bosse diese schnell überzeugen, dass in Dortmund hauptsächlich Hilfsmittel entstehen, die nicht so leicht zu kaufen sind. „Jetzt können die Sanitätshäuser enttäuschte Kunden nach Dortmund schicken, wenn sie im Laden nichts Passendes gefunden haben.“

MakerSpace und FabLab

Weltweit gibt es immer mehr Orte, an denen Menschen zusammenkommen und gemeinsam Dinge gestalten können. Die sogenannten MakerSpaces oder FabLabs wollen dafür sorgen, dass jeder Mensch die Möglichkeit hat, mit neuester Technik Dinge zu erschaffen. Eine der wichtigsten Regeln ist, dass die Teilhabe in den MakerSpaces nichts oder nur wenig kostet. Auch Ingo Bosse und sein Team nutzen deswegen OpenSource-Programme. OpenSource bedeutet, dass jeder das Programm kostenlos nutzen und auch weiterentwickeln darf. Deswegen bieten die inklusiven Teams aus Dortmund ihre einmal entwickelten Hilfsmittel auch zum kostenlosen Download an. So können auch andere Menschen mit einem 3-D-Drucker die Hilfsmittel aus Dortmund nutzen oder sie weiterentwickeln.