Test zur Barrierefreiheit deutscher Online-Shops
Mal schnell eine Online-Überweisung tätigen oder neue Schuhe bestellen? Was für viele Menschen selbstverständlich erscheint, ist für Menschen mit Beeinträchtigung oft mit großen Hürden verbunden oder sogar unmöglich. Und das, obwohl privatwirtschaftliche Anbieter*innen ab Juni 2025 durch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes dazu verpflichtet sind, ihre Online-Angebote barrierefrei zu gestalten.
Zum dritten Mal haben die Aktion Mensch und Google, in Zusammenarbeit mit der Beratungsagentur BITV-Consult, UDG und der Stiftung Pfennigparade, die Barrierefreiheit der in Deutschland meistbesuchten Online-Shops getestet. Wie bereits in den vergangenen Jahren zeigt der Testbericht nach wie vor: Das Internet, und vor allem Webseiten von gewerblichen Anbietern, sind zu einem großen Teil nicht barrierefrei nutzbar.
Das Testergebnis
Das Ergebnis des Tests zeigt, wie groß der Handlungsbedarf der Firmen nach wie vor ist: Nur ein Drittel der untersuchten Shops ist barrierefrei – und das nur wenige Wochen vor Inkrafttreten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes. Mangelnde Tastaturbedienbarkeit ist dabei wie in den Vorjahren die schwerwiegendste Barriere. Nur 20 von 65 untersuchen getesteten Webseiten waren allein über die Tastatur und damit ohne Maus bedienbar. Dabei stellt die Tastaturbedienbarkeit für viele Menschen mit Behinderung eine Grundvoraussetzung für barrierefreie Nutzung dar.
Der Testbericht zeigt außerdem: Die meisten der getesteten Webseiten bieten keinen sichtbaren Tastaturfokus. Nutzer*innen etwa mit eingeschränktem Sehvermögen können folglich nur schwer erkennen, welches Element sie gerade ausgewählt haben. Hinzu kommen häufig fehlende Kontraste, was die Lesbarkeit von Texten oder das Identifizieren wichtiger Symbole beeinträchtigt. Auch eine falsche oder unlogische Tab-Reihenfolge macht es für Nutzer*innen mit Behinderung oft unmöglich, durch die Online-Shops zu navigieren, sich über Produkte zu informieren und diese auszuwählen. Eine weitere Hürde stellen eingeblendete Inhalte wie Banner oder Cookie-Overlays dar, die den Hauptinhalt der Webseite verdecken und sich nicht ohne weiteres schließen lassen.
Christina Marx, Sprecherin der Aktion Mensch fordert: „Die Zeit der Ausreden ist vorbei – in wenigen Tagen müssen digitale Angebote barrierefrei sein. Doch unsere Ergebnisse sind alarmierend: Zu viele Unternehmen nehmen mögliche Bußgelder in Kauf und schließen noch immer Menschen mit Behinderung und damit potenzielle Kund*innen aus. Dabei liegt es auch in ihrem eigenen Interesse, dies zu ändern – denn von einem barrierefreien, komfortablen Zugang zu Webseiten profitieren letztlich alle.”
Der Testbericht zum Download
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Der European Accessibility Act und die Folgen für Unternehmen, von Michael Wahl
- Was wollen wir mit unserem dritten Testbericht erreichen?
- Warum haben wir Shopping-Webseiten ausgewählt?
- Welche Kriterien haben wir herangezogen?
- Methodik: Wie haben wir den Test genau durchgeführt?
- Testergebnisse: So barrierefrei sind die untersuchten Webseiten
- Was Betreiber von Webseiten tun können und wie die Künstliche Intelligenz dabei hilft
- "Wie Google KI nutzt, um Barrieren abzubauen", Interview mit Christopher Patnoe
- Fazit
- Über die Partner des Testberichts

Die untersuchten Seiten
Die untersuchten Seiten ergaben sich, wie im Vorjahr, aus den 500, laut Web-Analyst SimilarWeb, meistbesuchten Firmen-Webseiten in Deutschland. Genauer betrachtet wurden davon 65 Webseiten, die über einen kompletten E-Commerce-Webshop (vom Suchen bis zum Kaufabschluss) verfügen. Im Vorjahr hatten noch 71 Webseiten diese Voraussetzungen erfüllt. Die Differenz kommt dadurch zustande, dass bestimmte Dienste eingestellt wurden, sich Geschäftsmodelle verändert haben, oder Seiten nicht mehr in den Top 500 der meistbesuchten Webseiten vorkamen.
Wie wurde getestet?
Anhand einer typischen „User Journey“ wurden die ausgewählten Webseiten manuell auf Barrierefreiheit überprüft - in zwei Schritten:
- Tastaturbedienbarkeit als Grundvoraussetzung für digitale Barrierefreiheit.
- Webseiten, die per Tastatur bedienbar waren, wurden auf bis zu sieben weitere Kriterien getestet.
Die weiteren Prüfkriterien:
Die sieben weiteren besonders nutzerorientierten und wichtigsten Kriterien für digitale Barrierefreiheit beim Online-Shopping, auf Basis der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) des World Wide Web Consortiums (W3C), sind:
- Sind auszufüllende Formularfelder verständlich beschriftet und erklärt?
- Ist die Textgröße änderbar?
- Sind die Kontraste von Texten und Grafiken ausreichend groß?
- Sind multimediale Inhalte für alle Menschen erfassbar?
- Können Nutzer*innen multimediale Inhalte pausieren, beenden, ausblenden?
- Sind Überschriften und Beschriftungen aussagekräftig und verständlich?
- Sind Bedienelemente mit Name, Rolle und Wert versehen?
Die Tester*innen
Die Tester*innen kommen von der Stiftung Pfennigparade und den Beratungsfirmen BITV-Consult sowie UDG. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen. Im Vordergrund standen bei diesem Test verschiedene körperliche Beeinträchtigungen, wie Sehbehinderungen, Bewegungseinschränkungen oder erworbene Hirnschädigungen.
Je nach Einschränkung haben die Tester*innen unterschiedliche Eingabegeräte genutzt, wie Spracheingabe, (Spezial-) Maus und (Spezial-) Tastatur, Joystick, Augensteuerung.
Auch die Ausgabegeräte waren an die jeweilige Person angepasst und reichten von Bildschirmen und Voice Over bis hin zu Screenreadern.
Testerin Sophie gibt einen Einblick, wie sie für den Bericht Webseiten auf die Tastaturbedienbarkeit getestet hat:
Sie machen es bereits richtig
Auch wenn lange noch nicht alle deutschen Onlineshops barrierefrei sind, gibt es einige Positiv-Beispiele. XXXLutz zum Beispiel machen alles richtig in Sachen Tastaturbedienbarkeit, während Ikea bestimmte Bereiche per Skip-Link überspringen lässt. dm punktet in Sachen Textgrößen-Anpassung und Kontraste werden bei Rewe besonders gut gesetzt. Ralf Bremer von Google hat mit Timo Tauchnitz, Experte für UX und Inclusive Design, gesprochen und sich diese Positiv-Beispiele einmal genauer angeschaut.