Kooperative Projektplanung – Schritt für Schritt erklärt

Ausgangslage analysieren - Thema und Zielgruppe definieren (etwa sechs Wochen)

Am Anfang des Prozesses steht der Blick auf die Situation in der Kommune: Welche Probleme gibt es, welche Zielgruppe steht vor welchen Herausforderungen? Die Projektleitung macht eine Bestandsaufnahme: Sie wertet Daten zu Bevölkerung, zu Problemlagen und Bedarfen aus und führt Gespräche mit Expert*innen. Sie kann auch Menschen aus möglichen Zielgruppen danach fragen, was sie als drängendstes Problem sehen. Wenn Thema und Zielgruppe feststehen, kann entschieden werden, welche Akteur*innen wichtig sind für den Prozess.

Folgendes Schaubild bietet einen Überblick über den Ablauf der Kooperativen Projektplanung. Sie können sich das Schaubild als PDF herunterladen.

Anleitung: Kooperative Projektplanung – eine Methode für echte Beteiligung
Porträtfoto Zsuzsanna Majzik

Nachgefragt bei

Zsuzsanna Majzik, Prozessbegleiterin bei Kommune Inklusiv und Expertin für kooperative Projektplanung

Im Interview verrät sie, warum Projekte erfolgreicher sind, wenn sie kooperativ geplant werden.

1. Planungsprozess vorbereiten (zwei bis drei Monate)

Nun geht es darum, diese Akteur*innen zum Mitmachen zu motivieren. Die Projektleitung muss auf der einen Seite Entscheider*innen und professionelle Akteure vom Prozess überzeugen. Und auf der anderen Seite Menschen aus den Zielgruppen finden, die bereit sind, sich zu beteiligen. Dafür nimmt die Projektleitung zunächst Kontakt zu Multiplikator*innen mit Beziehungen zur Zielgruppe auf, beispielsweise zu Sozialarbeiter*innen oder Mitarbeiter*innen in Stadtteilbüros. Diese wiederum motivieren Menschen aus den Zielgruppen zu sogenannten Fokusgruppen-Interviews. In den Interviews findet die Projektleitung/die Moderation gemeinsam mit den Lebenswelt-Expert*innen mehr darüber heraus, was die Zielgruppe wirklich will und braucht. Außerdem bekommt die Projektleitung ein Gefühl dafür, wer von den Interviewten am besten für sich und für die anderen aus der Community sprechen kann, wer sich im Thema gut auskennt und wer Veränderungen gegenüber aufgeschlossen ist.

Anschließend geht es darum, sowohl den Profis als auch den Lebenswelt-Expert*innen die Scheu vor dem Prozess und vor der jeweils anderen Seite zu nehmen. Denn möglicherweise hat der Bürgermeister noch nie mit einer Gruppe muslimischer Frauen oder mit hörgeschädigten Menschen diskutiert. Und die Lebenswelt-Expert*innen haben noch nie einer Politikerin oder einem Verwaltungschef gegenüber ihre Meinung geäußert. Also trifft sich die Projektleitung/die Moderation zu einzelnen Vorbereitungsgesprächen mit den Profis und den Lebenswelt-Expert*innen. Die Projektleitung/Moderation erläutert die Vorteile der kooperativen Planung. Sie sagt den Profis, welche Bedürfnisse und Erwartungen die Zielgruppe hat. Und sie erklärt den Vertreter*innen der Zielgruppe, dass bei der kooperativen Planung ihre Meinung ebenso wichtig ist wie die der Profis. 

Nach den Vorbereitungsgesprächen folgen im Idealfall zwei Workshops zur sogenannten Aktivposten-Analyse: einer mit den Vertreter*innen der Zielgruppen und einer mit den professionellen Akteur*innen und Entscheider*innen. Die Aktivposten-Analyse baut auf den bisherigen Erkenntnissen aus der Planungsvorbereitung auf. Die Gruppen diskutieren über Ergebnisse und Kernaussagen aus den Fokusgruppen-Interviews und den Vorbereitungsgesprächen: Wie stehen die Expert*innen zu diesen Ergebnissen? Was ist ihre Meinung zur Problemlage? Welche ersten Ideen zur Problemlösung haben sie? Welche Haltung hat die Zielgruppe in Bezug auf die Gruppe der Profis? Wie sieht die Gruppe der Profis die Zielgruppe? Außerdem erarbeiten die Teilnehmer*innen, welche Ressourcen sie in den Prozess einbringen können: Wie viel Zeit haben sie? Können sie Räume zur Verfügung stellen? Welche Personen kennen sie, und wer von diesen Personen kann noch mithelfen?

Die Projektleitung/Moderation bereitet die Menschen aus der Zielgruppe außerdem auf den Prozess vor: Sie beschreibt, wie die kooperative Planung genau ablaufen wird - und dass Bürgermeister*innen auch nur Menschen sind. Sie sorgt außerdem für Barrierefreiheit und engagiert beispielsweise Übersetzer*innen und Gebärdensprach-Dolmetscher*innen für die Treffen.

Drei Frauen nähen an Nähmaschinen, zwei Frauen tragen ein Kopftuch.

2. Beim Auftakt-Workshop alle zusammenbringen (etwa vier Stunden)

Beim Auftakt-Workshop treffen alle Akteur*innen erstmals zusammen. Nach einer ausführlichen Kennenlern-Phase führt die Moderation in das Thema ein und erklärt es aus allen Perspektiven. Ein Thema könnte beispielsweise sein: Wie werden die Angebote der städtischen Sportvereine inklusiver? In kleineren Gruppen werden erste Ideen erarbeitet. Diese Ideen ordnet die Gesamtgruppe dann nach Wichtigkeit. Hierbei hat jede*r Teilnehmer*in eine Stimme - das gilt auch für alle weiteren Entscheidungen im Laufe des Prozesses. Jede*r Teilnehmer*in hat außerdem die Möglichkeit, über seine oder ihre Hoffnungen und Ängste in Bezug auf den Planungsprozess zu sprechen. Ziel des Workshops: Verständnis füreinander aufbauen und gemeinsam ins Tun kommen.

3. Gemeinsam wirkungsorientiert planen und Maßnahmen entwickeln (zwei bis drei Monate)

Die Planung kann entweder in der Gesamtgruppe passieren. Oder, wenn das Thema sehr vielschichtig ist und sich viele Unterthemen ergeben haben, in mehreren Arbeitsgruppen. Dabei achtet die Leitung der Arbeitsgruppe darauf, dass jede*r Teilnehmer*in eine Aufgabe übernimmt, je nach Fähigkeiten und verfügbarer Zeit. Die Gruppen erarbeiten Ziele. Sie legen fest, in welchen Schritten eine Maßnahme umgesetzt werden muss, damit sie ihr Ziel erreicht. Sie klären, wer für welchen Umsetzungsschritt verantwortlich ist und wie viel Zeit und Geld die Umsetzung vermutlich kostet. Hier ist es wichtig, dass jede*r Einzelne Verantwortung übernimmt: damit niemand überfordert ist und damit die kooperative Planung überhaupt funktioniert. Das Verantwortung-Übernehmen ist auch die Voraussetzung dafür, dass am Ende alle Teilnehmer*innen die Angebote und Maßnahmen akzeptieren und weiterführen.

Die Gruppen planen außerdem die Evaluation: Sie legen Kriterien fest, an denen sie während der Umsetzung messen können, ob eine Maßnahme ihr Ziel erreicht. Die Gesamtgruppe trifft sich alle sechs bis acht Wochen, um die Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen zu prüfen. Sie diskutiert sie und stimmt ihnen zu, verändert sie oder verwirft sie auch mal.

4. Maßnahmen gemeinsam umsetzen und evaluieren (zwei bis drei Monate)

Die Akteur*innen in den Arbeitsgruppen setzen die Maßnahmen nach und nach um, auf die sie sich geeinigt haben. Sie informieren die Gesamtgruppe über ihre Schritte. Sollten Probleme auftauchen, erarbeitet die Gesamtgruppe Lösungen. Die Gruppe prüft außerdem fortlaufend, ob die Maßnahmen ihre Ziele erreichen. Wenn sie ihre Ziele nicht erreichen, werden die Maßnahmen verbessert.

Arbeitsgruppen begleiten (während der Maßnahmen-Entwicklung und -Umsetzung)

Die Projektleitung/die Moderation sollte die Arbeitsgruppen fortlaufend begleiten, vor allem in den Zeiträumen zwischen den Sitzungen der Gesamtgruppe. Sie wirkt darauf hin, dass die Arbeitsgruppen so handeln, wie es die Gesamtgruppe zuvor beschlossen hat. Sie stellt sicher, dass sich die Arbeitsgruppen mit der Gesamtgruppe immer wieder austauschen und dass sie auch untereinander gut kommunizieren.

Netzwerk pflegen (während des gesamten Prozesses)

Die Projektleitung hält von Beginn an den Kontakt zu allen Akteur*innen. Sie telefoniert mit ihnen, schreibt Mails, trifft sie auch außerhalb der Gruppensitzungen persönlich. Kooperative Planung hat nur Erfolg, wenn alle Akteur*innen die gesamte Zeit über aktiv mitwirken. Treffen und Planungsschritte finden nur dann statt, wenn Menschen aus den Zielgruppen dabei sein können.

Menschen aus den Zielgruppen sind es oft nicht gewohnt, an regelmäßigen Besprechungen teilzunehmen und auf Augenhöhe mit Politiker*innen, Wirtschaftsvertreter*innen oder Führungspersonen aus Vereinen zu diskutieren. Sie sollten immer wieder ermutigt und bestärkt werden.

Viele professionelle Akteure sind wiederum nicht gewohnt, aktiv in Arbeitsgruppen mitzuarbeiten und Aufgaben aus den Treffen mit nach Hause zu nehmen. Auch fällt es einigen schwer, sich intensiv mit anderen aus der Gruppe abzustimmen.

Wenn es beispielsweise bei Gruppentreffen zu Konflikten kommt, wenn Teilnehmer*innen abblocken und bei ihnen Widerstand gegen den Prozess deutlich wird, sollte die Projektleitung/die Moderation nach der Sitzung persönlich mit ihnen sprechen und eine Lösung finden.

Zum Umgang mit Konflikten im Netzwerk lesen Sie auch mehr im Kapitel „Erfolgreich zusammenarbeiten“.

Wirkungsziele erreichen, Projekterfolge messen

Wenden Sie für die Maßnahmen-Entwicklung die Methode der wirkungsorientierten Projektplanung an. Wenn Sie wirkungsorientiert planen, entwickeln Sie Kriterien, an denen sich der Projekterfolg messen lässt. Wirkungsorientierte und kooperative Projektplanung gehören deshalb zusammen. Lesen Sie mehr in den "Arbeitsblättern: So planen Sie Ihre Projekte wirkungsorientiert (PDF) "

Ein junger Mann und eine junge Frau stehen in einer Bücherei

Durch Qualifizierung Inklusionsprofi werden

Hier erfahren Sie, warum es wichtig ist, alle Beteiligten für Ihr Inklusionsprojekt fit zu machen und zu qualifizieren. Welches Knowhow brauchen Ihre Akteur*innen? Was sind Gelingensbedingungen für die Professionalisierung?